50-prozent
Skip to content

Erik

Laut meiner Mutter kam ich als Fünfjähriger nach einigen Monaten an der Kunstschule bei uns vor Ort nach Hause und verkündete: „So, wie die Kunst mit mir machen gefällt es mir nicht, da gehe ich nicht mehr hin! Ich bringe es mir lieber selber bei!“. Gesagt, getan! Für mich ist Kunst der Weg, meine Gefühle und Gedanken zu verarbeiten. Somit ist sie ein Stück weit auch ein Kommunikationsmittel für mich. Ich setze mich im Malen oder Schreiben mit mir und meinem Inneren auseinander – und später dann tun dies die Betrachter meiner Werke.
Einmal habe ich sogar mit meiner besten Freundin Jojo gemeinsam gemalt – das war wild und wunderbar! Da sie – sehr im Gegensatz zu mir, der gegenständlich arbeitet – abstrakt malt, haben wir einander sowohl ergänzt, als auch hemmungslos übermalt.
Oft ist der Ansatz einer Idee in meinem Kopf und während des Tuns fügen sich dann weitere hinzu, so dass am Ende des Schaffensprozesses ein Bild häufig auch den Entstehungsprozess wiedergibt. In meinem Gedächtnis steht eine Art riesiges Regal, in dem ich Ideen für Bilder ablegen und jederzeit herausnehmen kann – was für eine Schande, dass es mir mit Mathematik nicht genauso geht! Möchte ich meine Gefühle verschriftlichen, so genügen einige Stichpunkte, die ich in selbiges Regal ablege. Wenn ich dann Muße habe, so kann ich wählen, was ich vollenden möchte. Dank des Kunstleistungskurses habe ich gelernt, die Werke anderer zu analysieren und zu interpretieren; es bereitet mir große Freude, mich in die Künstler*innen hineinzuversetzen und zu überlegen, welche Gefühle / welche Geschichte mir als Betrachter vermittelt werden soll. Wie wohl alle Künstler, so möchte auch ich Spuren hinterlassen und möglichst vielen Menschen meine Kunst zeigen! Derzeit sieht meine Zukunftsplanung so aus, dass ich auf der Royall Academy of Fine Arts in Antwerpen studiere, um mich später in den Bereichen Fashion Illustration oder Fashion Management zu verwirklichen.
Hochfliegende Träume für einen, dem seine Bild-Visionen besser im Gedächtnis bleiben als denn mathematische Formeln? Ich glaube nicht. Ganz im Gegenteil – ich glaube fest daran, dass Glauben Berge versetzen und man mit Überzeugung und Glauben an sich selbst unglaublich viel erreichen kann!
Dieses Selbstvertrauen habe ich erst hier, am Internat Solling in unserem sehr familiären Umfeld, in dem ein soziales Miteinander und Individualität einen hohen Stellenwert genießen, gewonnen. Ganz im Gegensatz zu meinem eigentlichen Plan – eigentlich wollte ich nur ein Jahr bleiben – bin ich hier heimisch geworden. Hier, in Holzminden, habe ich zu mir gefunden, stehe fest auf meinen zwei Beinen und bin nicht nur selbstständiger denn je, sondern auch von Herzen gerne in meiner Funktion als Vertrauensschüler Ansprechpartner für meine Mitschüler*innen. Meiner Meinung nach ist „miteinander reden“ unglaublich wichtig und so nehme ich mich gerne der Sorgen und Wünsche anderer an. So werde ich nach meinem Abitur im nächsten Jahr in dem Wissen das LSH verlassen können, dass ich alle Erfahrungen gesammelt habe, die ich hier machen konnte. Als I-Tüpfelchen habe ich in diesem Jahr mit vier gezeichneten Portraits von Männern verschiedenen Alters den vom Altschülerbund ausgelobten „Dr.Herbert Wefels – Preis“ gewonnen und darf eine kleine eigene Ausstellung ausrichten. Ein erster Schritt von vielen in die richtigste Richtung – davon bin ich überzeugt.

im Oktober 2020