
In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Zum einen bin ich sehr diszipliniert und verlange mir viel ab, zugleich bin ich aber auch sehr naturverbunden und genieße den Anblick jedes einzelnen Sonnenaufganges; meine Arbeitstage sind meist ca.12 Stunden lang und doch lege ich keinen allzu großen Wert auf Materielles. Diese „Onno-Spezial-Mischung“ ist sicherlich meinen charakterlich sehr unterschiedlichen Eltern geschuldet. Mein großes soziales Engagement hingegen und meine unbändige Neugierde – das sind Feuer, die meine Zeit am LSH, insbesondere Herr Ehm, entfacht hat.
Der es anfänglich nicht leicht mit mir hatte. Die Einschulung am LSH war i-Tüpfelchen auf einen zwei Jahre andauernden Kulturschock. Meine Kindheit habe ich in einem großen Haus und mit Großfamilien in der Nachbarschaft, bei denen ich immer zum Spielen willkommen war, auf Gran Canaria verbracht. Nach der Trennung meiner Eltern zog ich im Alter von 12 Jahren mit meiner Mutter in das kalte Deutschland. Dort fand ich mich mit ihr in einer Mietwohnung wieder, deren „Größe“ ungefähr der meines vorherigen Spielzimmers entsprach. Zudem war mein Deutsch mittelmäßig, obwohl es unsere Familiensprache war und ich die deutsche Schule besucht hatte. Nachdem ich zwei Sommerferien zwecks Verbesserung meines englischen Vokabulars in einem englischen Internat verbracht und es dort gemocht hatte, überlegte sich mein Vater gemeinsam mit meinem Patenonkel und Altschüler Onno Flick, dass das LSH räumlich fair zwischen beiden Elternteilen liegen (mein Vater lebte in Norddeutschland, meine Mutter in Bayern) und mir persönlich bestimmt guttun würde – zumal schon damals Iberos ein wichtiger Bestandteil der LSH-Schulgemeinschaft waren und ich auch Spanisch als Leistungskurs wählen konnte. Rückblickend hat mir meine Zeit in Holzminden nicht nur gutgetan, sondern vielmehr auch den Weg zu meinem großen Glück, seit mittlerweile 18 Jahren in El Salvador zu leben, geebnet!
First things first: Herr Ehm war mir persönlich eine sehr große Stütze. Wir hatten von Anfang an einen sehr guten Draht zueinander. Er hat mir und meiner schwer zu kanalisierenden Energie zunächst den Rücken frei- und vor dem damaligen Schulleiter Brückner immer zu mir gehalten. Nachdem ich ungefähr 2000 Mal im Strafwerk den Parkplatz gesäubert hatte, hatten wir Zwei herausgearbeitet, dass Sport für mich ein guter Weg ist, Energie abzubauen und den Kopf freizukriegen. So hatte ich recht bald die Schlüsselgewalt über den Schlüssel zur Sporthalle und lernte, mein Feuer für die Gemeinschaft einzusetzen. Demzufolge leitete ich die Tee-Stube, war Schülersprecher und im PV. Um Brü zu zitieren: “Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“.
Dies zieht sich auch hier in El Salvador durch mein Leben. Ich engagiere mich sowohl beruflich, als auch privat sozial. El Salvador? Ja. Ich folgte dem Ruf meines damaligen Zimmerkameraden und Freundes Juan Josè Borja und seiner Frau Anna (geborene Voelpel, auch sie ist LSHlerin), bei und mit ihnen zu arbeiten. Nachdem wir nicht nur gleichzeitig am Internat Solling waren, sondern auch gemeinsam an der Wharton School of the University of Pennsylvania Wirtschaft studiert haben, sind wir Drei ein sehr gutes, eingespieltes Team. Zum Glück gelingt es uns sehr gut, Business und Freundschaft voneinander zu trennen. Ein weiterer von unseren vielen gemeinsamen Nennern ist das soziale Engagement. So kommt es, dass ich nicht ausschließlich als Geschäftsführer für die Medien-Gruppe “Diario El Mundo“ sondern auch für die J.Borja Stiftung tätig bin, die sich für die Ausbildung junger Menschen starkmacht. Darüber hinaus engagiere ich mich auch als Privatperson seit Jahren bei zwei weiteren großen Stiftungen. Da das Lebens – und somit auch das Bildungsniveau und das Umweltbewusstsein sich hier deutlich von dem in Deutschland unterscheidet, kann man zu meiner Freude auch wirklich noch viel bewirken.
Apropos Unterschiede – selbstverständlich bin ich immer wieder gerne in Deutschland, um Familie und Freunde wiederzusehen. Ich fahre aber auch jedes Mal gerne wieder. Die deutsche Tristesse und das Jammern auf hohem Niveau, das in Deutschland meiner Meinung nach mittlerweile leider an der Tagesordnung ist… All dies lässt mich mein Leben in El Salvador noch mehr genießen und wertschätzen. Die Freundlichkeit der Menschen ist hier ungleich groß. Mag gut sein, dass dies der Beweis dafür ist, dass an dem Sprichwort „Geld allein macht nicht glücklich“ sehr viel Wahres dran ist!
Mein Glück ist die Natur. Zu meiner großen Freude teilen meine beiden großartigen Kinder Olivia und Jan sowohl diese Liebe, als auch die zum Sport und so treffen wir Drei, die wir in drei unterschiedlichen Ländern leben, uns so oft wie möglich bei meiner Mutter in Garmisch. Dort können wir einander und gemeinsam sportliche Aktivitäten, besonders gerne das Skifahren, genießen! Zuhause in El Salvador kann ich jeden Morgen während des Aufwachens den Sonnenaufgang betrachten und verbringe meine Wochenenden sehr gerne auf meiner kleinen Kaffeeplantage, wo ich neben Kaffee auch Gemüse und verschiedene Früchte anbaue. Hier erde ich mich im wahrsten Sinne der Worte. Mittlerweile kann ich sogar schon kleine Mengen Kaffees und Marmelade verkaufen! Der wichtigste Alltagsausgleich – und auch dies wurzelt in meiner Zeit am LSH – ist nach wie vor der Sport. Da ich häufig bis spät in den Abend arbeite, beginne ich jeden Tag früh auf dem fußläufig gelegenen Golfplatz oder ziehe meine Schwimmbahnen. Während des Sports kann ich auch sehr gut Probleme auf – und verarbeiten. So ganz und gar abschalten, das ist einfach nicht meins, obgleich ich seit einiger Zeit versuche, weicher mit mir und meinem Umfeld umzugehen und umsetzen, wozu Autor und Visionär Raj Sisodia, den ich im vergangenen Jahr live erleben durfte, während eines Vortrages geraten hat: Man sollte mindestens 5-mal gelobt haben, bevor man 1 -mal kritisiert! Teil des Lernprozesses ist, mir und somit automatisch auch von meinem Umfeld weniger abzufordern. Gar nicht mal so leicht zu lernen für mich als Sohn eines extrem disziplinierten, anspruchsvollen Vaters, der selbst noch auf der Onkologie die Chefvisite bis zuletzt akkurat in Hemd und Sakko empfangen hat. Aber zum Glück sind wir ja nie zu alt zum Weiterentwickeln unserer Persönlichkeit! Um Raj Sisodia zu zitieren: „Wir wollen Herz, Heilung, Mut, Seele und Erwachen in Wirtschaft und Führung bringen, damit wir eine bessere Welt für alle erschaffen können.“ Meines Erachtens steckt da viel des gelebten „Hand, Herz, Kopf“ drin, das ich als LSHler verinnerlicht habe. Ganz so, wie ich so Vieles, das mir guttut, auf das LSH zurückführe.
Im Januar 2025
