
„You can not dance and be unhappy at the same time“. Tanzen ist die Bewegungsform, an die ich mich völlig verliere und in der ich Raum und Zeit vollkommen vergessen kann.
Auch meine zweite Aufladestation ist immer bewegt – wenig liebe ich so sehr wie die Momente, in denen meine Familie um einen Tisch versammelt ist und in großer Runde das Gespräch „bounced“. Gerne passiert das auch auf Denglisch, das aufgrund unser gemeinsamen zwei Jahre als Familie in Kalifornien irgendwie Bestandteil unserer Familienkommunikation geworden ist. Bei diesen Tischrunden bringen wir einander auf den neuesten Stand, necken uns, diskutieren über alles und jeden und genießen einfach die Gegenwart als Familie. Da wir vier Geschwister fast Jahr-auf-Jahr geboren wurden und unsere Eltern es lieben, mit uns und unseren Freunden „open house“ zu leben, geht das nie ruhig vonstatten, sondern ist das immer wild, unberechenbar und lebendig.
Wenn ich Ruhe brauche, Abstand und Tiefe, dann tue ich das mit Gott, an den ich aus ganzem Herzen glaube.
Er ist mein Anker.
Diesen Anker habe ich insbesondere in meinem Auslandsjahr auf einem Segelschiff gebraucht. 10 Monate, 2 Atlantiküberquerungen, 66 Jugendliche, ein einziger geteilter Schlafsaal mit Hängematten, der zugleich auch Aufenthalts- und Unterrichtsraum war. Uns 33 Mädchen standen 3 kleine, meist kalte Duschen und Waschbecken zur Verfügung. Da ist es sehr wichtig, einen inneren Rückzugsraum zu haben und diesen bewusst zu kultivieren. Hier empfehle ich ein Tagebuch als Reflektionsfläche und papiernen Boxsack! Dieses Hochsee-Jahr auf einem hundert Jahre altem Dreimaster war dabei alles andere als eine “Genuss- Cruise“. Wir waren Matrosen, Köche, Schüler und Putzkräfte und hatten ebenso Tag- wie auch Nachtschichten zu absolvieren. Schlafentzug. Lagerkoller. Und während der manchmal wochenlangen Törns, keine Handys. Zu allem Übel war „Sport“ als Ausgleich aufgrund des Platzmangels so gut wie unmöglich. In diesen 10 Monaten der Extreme habe ich gelernt, Kraft aus mir selber zu ziehen.
Im Nachhinein hat sich aus den vielen Entbehrungen viel Gutes entwickelt – ich weiß nun z.B. jede auch noch so kleine Joggingeinheit so viel mehr zu schätzen. Eine lange, heiße Dusche? Purer Luxus! Aufgrund der räumlichen Enge und der Abwesenheit von Handys an Bord haben wir untereinander viel und häufig über kleine Notizen auf Haftzetteln miteinander kommuniziert. Das war wie analoges Snapchatten und es entstanden in aller Enge individuelle, kleine Privaträume. So habe ich gelernt, wie schön es ist, durch eine kleine Notiz Rückmeldung zu erhalten, gesehen zu werden. Das trägt bis heute, und ich gebe mir Mühe, anderen genau dieses Gefühl zu vermitteln. „Notiz nehmen“ im wahrsten Sinne des Wortes!
Das beste Gefühl in meinem Leben ist die Gewissheit, mich immer und mit allem an meine Eltern wenden zu können. Diese beiden wunderbaren Menschen sehen es als ihre Aufgabe an, uns Vier ins Leben zu begleiten und uns zu dabei zu helfen, Dinge zu finden und zu entwickeln, die uns mit Freude erfüllen. Ich bin überzeugt, dass ich in keine bessere Familie hätte geboren werden können! Hier, genau an diesen Platz, gehöre ich hin. Es ist z.B. einfach großartig, Friedrich zum großen Bruder zu haben, der mir dabei hilft, die Füße am Boden zu behalten. Unvergessen eine Situation, in der er mir ganz locker sagte: “Käthe, nun glaub mal bitte nicht, dass andere Lust und Zeit haben, über alles nachzudenken, was dich gerade bewegt“. Das hat mich total geerdet. Wir Vier sind einander eine wichtige Konstante, die immer Priorität über alles andere hat.
Ich hoffe sehr, später auch Mutter sein zu dürfen und diese tiefe Geborgenheit und Mischung aus behüteter Kindheit und Freiheit an andere weitergeben zu können. Am allerliebsten auch an einen Glücksklee aus vier Bagaluten – das hat in unserer Familie Tradition: Meine Eltern sind auch je eins von vier Kindern, ich liebe unsere familiäre Konstellation. Und mal ehrlich, warum sonst gibt es Joghurt meist in Viererpacks?! Mit drei Kindern? Ein unlösbares Problem.
Die Rückkehr an das LSH in die 12. Klasse wurde für mich zu einer komischen Mischung aus Heimkehr und völlig neuem Einfinden. Für manche war ich Käthe, die seit der 5. Klasse LSHlerin ist, für andere wiederum ein ganz neues Gesicht. Das war interessant. Mittlerweile bin ich wieder voll & ganz angekommen und engagiere mich in diesem Jahr auch in der Schülervertretung. Da mir Menschen und ihr Miteinander sehr liegen, ich mich gerne kümmere und für andere einsetze, kann ich auf diese Weise der Internatsgemeinschaft ein bisschen was zurückgeben.
Nach dem – mittlerweile erschreckend absehbaren – Internatsleben wird es für mich ins Studium gehen. Wie spannend! Der Studiengang steht noch nicht ganz fest. Ganz sicher ist hingegen, dass ich vorher ein halbes Jahr im Ausland – wahrscheinlich Lateinamerika – sozial arbeiten möchte. Denn dank meines Glaubens weiß ich, dass es einen guten Plan für mich gibt, und ich meine „Talente“ nicht einfach so erhalten habe. In diesem Geist fühle ich mich motiviert, das Beste aus mir herauszuholen.
In diesen Geist gehört aber auch, in jedem Tag einen Funken Glück zu entdecken. Und ganz nach Kermit dem Frosch („Das Allerschönste, was Füße tun können, ist Tanzen!“) gehört die Suche nach der nächstgelegenen Tanzfläche dazu.
Ich kann Glück, denn ich bin eine Glücksschmiedin. Gott sein Dank.
Im Mai 2025
