Anja Ruppert
Meine Mutter erzählt gern, dass ich nach meinem vierten oder fünften Grundschultag auf der Fußmatte gestanden und verkündet habe: „Ich werde später einmal Lehrer!“ Bei diesem einen Berufswunsch ist es immer geblieben – ich bin Lehrerin aus Leidenschaft – Internatslehrerin aus Leidenschaft.
Noch etwas hat sich seit meinen ersten Schulferien als Kind bis heute als Lehrerin nicht verändert: Mir sind Ferien zu lang. Sommerferien zum Beispiel – ich finde, dass man in drei Wochen alles machen und erleben kann, was dran ist und dann kann es weitergehen mit der Schule.
Für mich als Kamleiterin kennt der Erziehungsauftrag keinen Unterschied zwischen Klassenraum und Wohnzimmer, es ist ein fließender Übergang. Neben dem Unterrichtsstoff möchte ich meinen Schützlingen moralische Verantwortung und Ehrlichkeit mit auf ihre Wege geben. Sie wissen ganz genau, dass ich immer mit meiner ganzen Kraft für sie da bin – solange sie mich nicht anlügen. Bei allem Grundvertrauen in meine Mädchen wird schon mal mein Wecker auf zwei Uhr morgens gestellt, um zu kontrollieren, ob alle in ihren Betten liegen.
Bis zum letzten Schuljahr hatte ich die Scholarenmädchen. Da sie ganz genau wussten, dass eine Strafe sehr viel heftiger ausfällt, wenn die Ruppert rauskriegt, dass sie was angestellt, es aber nicht erzählt haben, wurde ich manches Mal schon bei meiner Rückkehr aus dem freien Tag am Parkplatz erwartet und wusste : „OK: da steht was an “.
Den Begriff „Elite “ möchte ich im Zusammenhang mit dem LSH nicht, wie oft in Vorurteilen erwähnt, als „ reiche Bonzen, die ihr Abi kaufen “ hören – wir bieten hier eine elitäre Möglichkeit mit einer besonderen Lernumgebung, kleinen Klassen und einem einmaligen Gelände. Trotzdem ist es uns gelungen, etwas Bodenständiges zu bewahren, die Kinder müssen bei uns etwas für die Gemeinschaft tun und schulische Leistung erbringen wie an jeder anderen Schule auch.
Ich sage den Schülern oft, dass im „LSH – Paket “ enthalten ist, dass ein Absolvent des LSHs ein einmaliges Netzwerk zur Verfügung hat. Es gibt keinen Kontinent auf der Welt, auf dem sich nicht irgendwo ein LSHler finden lässt.
Meine zweite Leidenschaft, die Kirchenmusik, in der ich mich parallel zu meinem Referendariat ausgebildet habe, lebe ich in meinem zweiten Zuhause nahe Frankfurt aus. Ich bin dort ein Mal die Woche an meinem freien Tag bei meiner Mutter und in der Kirchengemeinde als Kirchenchorleiter und Kantor sehr aktiv. Die Religion ist ein fester Bestandteil aller Bereiche meines Lebens – auch im Internat.
Freie Zeit nutze ich hier im LSH zum „Lesen ohne Rotstift“ – etwas, das ich nicht korrigieren muss und mit dem ich den Kopf ausschalten kann. Im Hessen-Zuhause versuche ich des Kirchenschlüssels habhaft zu werden und übe dann an der großen Orgel.
im Januar 2018