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Mein Großvater, ein durch und durch positiver Mensch, lebte nach dem Motto „wer 100 Jahre lacht, wird alt dabei!“. Kurz vor seinem Tod sagte er zu mir: “Christian, bleib, wie Du bist. Erhalte Dir Deine Leichtigkeit!“. Meines Erachtens ist dies eine der großen Aufgaben des Alterns: Das Kind in sich zu bewahren und die schönen Aspekte des Lebens im Fokus zu behalten. Was nicht immer leicht ist angesichts des Weltgeschehens, das aufgrund unserer digitalisierten Zeit zunehmend schnell und ungefiltert aus unzähligen Richtungen auf uns einprasselt.
Grundsätzlich aber gelingt es mir gut, das Kind im Manne lebendig zu halten. Insbesondere mit unseren beiden Enkelinnen kann ich spielend leicht alles um uns herum vergessen.

Meinen Eltern hingegen werde ich nie vergessen, dass sie mir das LSH ermöglicht haben! Vieles aus meiner Schulzeit in Holzminden ist tief in meiner Seele verankert und die wirklichen, Anteil nehmenden Freunde in meinem Leben sind LSHler. Wir haben einander nie aus den Augen verloren.
Umso kostbarer für mich, da der Grund, mich auf dem Internat Solling einzuschulen, kein schöner war. Aufgrund eines Formfehlers wurde ich am staatlichen Gymnasium von dem Lehrer unterrichtet, gegen den mein Vater wegen eines Fehlers im Abitur-Zeugnis meines älteren Bruders eine Eingabe beim Kultusministerium machen musste (zu Recht, der Klage wurde stattgegeben). Wenn schon, dennschon: Er unterrichtete mich in gleich drei Fächern: Latein, Geschichte und Mathe. Heutzutage würde man seinen unprofessionellen Umgang mit mir als „Mobbing“ bezeichnen. Schlussendlich konnten meine Eltern es nicht mehr mitansehen, dass ich derart in Sippenhaft genommen wurde und so kam Dank Familie Weiler, deren Sohn Detlev bereits LSHler war und der Werbung für das Internat gemacht hat, das LSH als Alternative ins Gespräch. Gesagt, getan, ich wurde angemeldet.

Die ersten Monate waren durchaus schwer für mich, denn ich kaute noch an den schlimmen Schulerinnerungen und tat mich schwer damit, den Schritt vom behütenden Elternhaus in die Erfahrung der größeren Selbstständigkeit im Internat zu tun. Doch merkte ich in den ersten Winterferien schlagartig, dass ich mich auf die Rückkehr nach Holzminden freute, da dort meine Freunde waren. Das LSH war mir Zuhause geworden. Aus dem ich meiner Meinung nach gefestigter in die Welt gegangen bin, als es direkt vom Elternhaus der Fall hätte sein können.

Obgleich es eigentlich nie mein Wunsch war, in die beruflichen Fußstapfen meiner Eltern zu treten, habe ich im Anschluss an eine PTA-Ausbildung (Pharmazeutisch-Technischer Assistent) Dank der Einsicht, dass ein Medizin-Studium doch nicht das Richtige für mich wäre, Pharmazie studiert. Zum Glück – lernte ich doch im Studium meine Frau kennen! 1986 machten wir uns gemeinsam mit der Wolf-Apotheke in Wolfsburg selbstständig. Auch wenn ich mittlerweile nur noch in (Alters-) Teilzeit tätig bin: Die Apotheke ist nach wie vor unser drittes Kind. Was auch der Grund dafür ist, dass unsere beiden leiblichen Kinder sich für völlig andere Berufe entschieden haben – sie haben von klein auf an miterlebt, was es heißt, selbstständig zu sein und rund um die Uhr für sämtliche Belange eines Betriebes die Verantwortung zu tragen. Zu unserer großen Freude sind die beiden in ihren Berufen – Architektur und Tiermedizin – erfolgreich und so wissen wir die Beiden und ihre Familien gut abgesichert.

Ich glaube daran, dass es eine das Leben leitendende Macht gibt, die für mich die Bezeichnung „Gott“ trägt. Meine Frau und ich sind beide ehrenamtlich für unsere Kirchengemeinde tätig, um etwas von dem Lebensglück, das wir erleben dürfen, an andere weiter zu geben. Und beim nächsten Altschültertreffen, tausche ich wieder in tiefer Verbundenheit mit anderen LSHlern Erinnerungen aus. Das Leben meint es gut mit mir, wofür ich sehr dankbar bin.
Im August 2023