50-prozent
Skip to content

Danshu Li

Auch wenn ich die problemlos im Deutschen kommuniziere und die Umgangsformen gut genug beherrsche, um sie nun auch Schülern vermitteln zu können – in meinem Herzen bin und bleibe ich Chinesin. 

So ist es zum Beispiel in China selbstverständlich, das die Eltern später bei dem Kind wohnen und umsorgt werden. Familien, die ihre Angehörigen nicht bei sich aufnehmen, gelten als unmoralisch. Selbst ich, die ich erlebe, wie selbstständig und auch glücklich alleinlebende alte Menschen hier in Deutschland sind, freue mich trotzdem darauf, in 15 Jahren für meine Eltern da zu sein und werde selbstverständlich nach China zurückkehren, sobald sie mich brauchen. 

Ich sehe einen großen Teil meiner Aufgabe darin, Stereotypen und Vorurteile abzubauen. Sei es bei Chinesen gegenüber Deutschen oder bei Deutschen gegenüber Chinesen.Wenn einer meiner deutschen Schüler ein chinesisches Wort richtig ausspricht oder ein chinesischer Schüler eine Hausaufgabe fehlerlos bewältigt hat, so erfüllt mich dies mit Stolz. Davon lasse ich mich auch tragen, wenn ich meine Familie vermisse. Auch meinen Eltern ist es ein Trost, dass ich hier jungen Menschen Werte vermittle und den chinesischen Schülern ein Stückchen Heimat biete. Mein kleines, persönliches Stück Heimat, das ich immer bei mir trage, ist ein Jade-Armreif, den mein Vater mir mal geschenkt hat. Jade steht in unserer Kultur für Glück & Gesundheit. Der Stein ändert während des Tragens seine Farbe und ist mir eine lebendige Erinnerung.

Im Laufe der letzten Jahre hat sich meine Begrifflichkeit von „Zuhause“ stark geändert, es ist nun nicht mehr an meine Eltern, sondern vielmehr an einen Raum gebunden, in dem ich mich erholen kann. Da ich mittlerweile einen Freundeskreis in Deutschland habe, der mich unterstützt, habe ich deutlich weniger Sehnsucht nach China. Ganz im Gegenteil – erst wenn andere Menschen mich als „fremd“ wahrnehmen werde ich überhaupt erst wieder daran erinnert dass ich Chinesin unter Deutschen bin. Ich denke dass man Heimweh hat, wenn man unsicher ist und sich alleine fühlt. Da ich selber ein Jahr als Fremdsprachenassistentin hier am Internat Solling war, kann ich sehr gut nachempfinden, wie es unseren chinesischen Schülern in ihrer Anfangszeit hier ergeht. Meiner Erfahrung nach brauchen ausländische Schüler unbedingt am Anfang/ beim integrieren muttersprachliche Ansprechpartner in der fremden Umgebung. Es erfüllt mich mit Freude, wenn ich beide Kulturen richtig verbinde und in Kontakt bringe.

im Juni 2018

Danshu Li