Hugo (LSH seit 2020)
Es gibt nichts Schöneres, als glücklich zu sein und wenig Schlimmeres, wenn man es nicht ist. Aber vielleicht macht genau dieses Gefälle die glücklichen Momente so kostbar. Meines Erachtens kann man sein Glück nicht vollends selber beeinflussen, es schwingt immer ein Hauch von „Zufall“ mit.
Umso unzufriedener bin ich damit, dass ich so schlecht darin bin, Freundschaften und Kontakte (die ja letztendlich menschliche Glücksfälle sind) über soziale Medien zu pflegen. Das Konzept fernmündlicher Kommunikation, sich ohne wirklichen Anlass beieinander zu melden, erschließt sich mir zwar – liegt mir aber nicht. Sehr viel lieber telefoniere ich mal ausgiebig, als mit Freunden gegenseitig ein Foto über eine App auszutauschen. Ich sehe für mich persönlich keinen Mehrwert im bloßen Austausch von Bildern, zumal diese allzu oft geschönt sind. Zum Glück akzeptieren mich meine Freunde so wie ich bin und so habe ich auch nach mittlerweile vier Jahren am Internat Solling noch gute Freunde in Frankfurt. Wenn ich dort bin, genießen wir miteinander das, was unter anderem Freundschaften ausmacht: echte, gerne auch stundenlange Gespräche über Gott und die Welt. Solche Momente passieren hier am Internat derart häufig, dass man aufpassen muss, sie noch gleichwertig zu schätzen.
Dass ich hier am Internat Solling bin, ist schlussendlich Corona geschuldet. Obgleich ich den Online-Unterricht ganz gut gemeistert habe, hing ich in den Augen meiner Mutter zu viel ab. Da sie zudem der Überzeugung war, dass ich mich im Internatskontext wohlfühlen würde, hat sie mir vorgeschlagen, es mit dem LSH und dem hier innerhalb der Gemeinschaft weniger eingeschränkten Leben zu versuchen. Darüber hinaus waren ein Onkel und eine Tante von mir bereits auf dem LSH und so war die Idee, nach Holzminden zu gehen, eine naheliegende. Da ich drei Geschwister habe, fiel es mir leicht, mich hier in das Miteinander einzufinden und so wurde aus der mit meiner Mutter vereinbarten „Probezeit“ binnen des ersten Halbjahres ein „hier möchte ich bleiben“. Mittlerweile überlegt sich meine jüngere Schwester, ob auch sie LSHlerin werden möchte! Gut vorbereitet darauf ist sie garantiert, so nach dem Zusammenleben mit drei älteren Brüdern.
Nun, da mein Abitur in Sichtweite ist, vermischen sich Unlust auf die Prüfungen, Abschiedsschmerz und Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt. Der bereits fest verplant ist: Ich werde mich sehr wahrscheinlich vorerst bei der Bundeswehr verpflichten. Sowohl mein Vater, als auch einer meiner Brüder waren bei der Bundeswehr und haben durchgehend tolle Geschichten aus dieser Zeit erzählt. Zudem verschaffen mir diese Ausbildungsjahre zum Reserveoffizier einen zeitlichen Puffer, währenddessen ich mir in aller Ruhe Gedanken darüber machen kann, was ich studieren möchte. Derzeit weiß ich lediglich, dass ich studieren möchte, kann und mag mich aber noch nicht festlegen. Da stehe ich doch lieber vorerst auf finanziell unabhängigen Füßen, kann für eventuelle spätere Reisen sparen und tue etwas Sinnvolles, statt nur um des Studieren Willens einfach irgendeinen klassischen, meinem Notendurchschnitt entsprechenden Studiengang zu beginnen. Ein Notenschnitt, der übrigens gerne besser sein darf als der meiner beiden älteren Brüder! Bei aller geschwisterlichen Zuneigung sind wir durchaus kompetitiv im Umgang miteinander, sei es beim Spielen von „Backgammon“, „Kuhhandel“, „Ligretto“ oder im sportlichen Wettkampf. Letzteres auch auf Skiern (zum Leidwesen unserer Mutter)! Ich werde bei der Bundeswehr sicherlich auch von meiner Internatserfahrung profitieren, ich bin ja an das Leben in einem vorgegebenen Regelwerk gewöhnt – auch wenn das der Bundeswehr sicherlich sehr viel strikter sein wird. Was mich nicht abschreckt, ich mag es, wenn Dinge klar formuliert sind und somit Orientierung geben. Selbiges gilt für die „Stuben- und Spindordnung“, die kommt mir als einem Menschen, den zu viel Unordnung nervös macht, entgegen! Womit ich nicht behaupten möchte, es sei bei mir immer pikobello aufgeräumt. Vielmehr unterliegt mein Zimmer einer Art Konjunkturzyklus – meine Ordnung liegt brach und steigt dann wieder steil an!
Vielleicht hängt es mit meiner positiven Einstellung gegenüber Regelwerken zusammen, dass ich manche Rituale und Traditionen sehr schätze. Was, entgegen vieler Vorurteile, nicht mit dem „von“ zwischen meinem Vor- und Nachnamen zusammenhängt! Diese drei Buchstaben sind einfach da, das macht nun wirklich keinen Teil meiner Persönlichkeit aus. Da ich eine Person bin, die durchaus auch mal ihre Ruhe braucht, genieße ich es zum Beispiel sehr, aus Familientradition heraus zur Jagd zu gehen und währenddessen Zeit in der Natur zu haben, die allein mir und dem Naturerlebnis gehört. Die Jagd entstammt der Tierliebe, dies ist mir sehr wichtig! Das mir wichtigste Ritual ist, Silvester mit der gesamten Familie zu begehen. Dafür verzichte selbst ich als kleiner Pyromane gerne auf lautes Böllern und Feiern mit Freunden. Der Wert meiner Familie und dessen, wie behütet ich groß werden durfte ist mir nicht zuletzt deshalb so sehr bewusst, weil wir vor fünf Jahren unseren Vater an einen Hirn-Tumor verloren haben. Ich weiß, wie es ist, wenn Glück ganz weg ist. Ich weiß aber auch, dass es verlässlich immer wieder unvorhergesehen hervorblitzt. Dieses Wissen lässt die Abwesenheit von Unglück erträglicher sein.
Im Februar 2024