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Ulrich Sander (LSH 1980 - 1985)

„Am Ziel deiner Wünsche wirst du jedenfalls eins vermissen: dein Wandern zum Ziel.“ (Marie von Ebner-Eschenbach).

Genauso ergeht es mir. Habe ich etwas erreicht, auf das ich (mitunter über einen langen Zeitraum) hingearbeitet habe, so verspüre ich natürlich Freude darüber. Doch ergreift auch umgehend eine unruhige Leere von mir Besitz. Was letztendlich zu einem bewegten Leben; überwiegend zu Erfolgen, selbstverständlich aber auch Niederlagen beitrug. Und definitiv auch dazu, dass ich nie „das Söhnchen fertigen Geldes“ war; ein Vorurteil, dessen ich mich Zeit meines Lebens erwehrt habe.

Meine Internats-Laufbahn begann für zunächst drei Jahre am Internat Salem, bis ich 1980 an das LSH wechselte. Bedingt freiwillig, denn mir wurde aufgrund von „Unstimmigkeiten“ mit meinem damaligen Klassenlehrer in Salem nahegelegt, ein Trimester lang entweder „nur“ externer Salemer zu sein – oder eben ein Schuljahr woanders zu verbringen. Da Holzminden auch im wahrsten Sinne des Wortes nahelag – mein Elternhaus ist in Volpriehausen –, das Internat sich von den turbulenten Zeiten Anfang der 70iger erholt hatte und zudem Dr. Bueb (Leiter Salems und Stiftungsratmitglied im LSH) Helmut Brückner, der seit 1978 Leiter des LSHs war, in höchsten Tönen lobte (wie wir heute wissen: absolut zu Recht!), wurde ich LSHler. Womit ich letztendlich einer Familientradition folgte, da sich seit 1912 Mitglieder unserer Familie in der Schülerschaft des LSHs befanden.

Was eigentlich als Überbrückungsjahr geplant war, stellte sich rasch als „the place to be“ für mich heraus. Meine schulischen Leistungen waren im überschaubaren Bereich; umso stärker und ungleich erfolgreicher war ich im sozialen Netzwerk des Internates vertreten. Um aus einem von H. Brückner ausgestellten Referenzschreiben zu zitieren:“ (…) Die herausragende Tätigkeit bestand jedoch darin, daß Ulrich Sander zum Schülersprecher gewählt wurde…. Eine besondere Anerkennung seiner Fähigkeiten und seiner Tätigkeit zeigte sich darin, daß er für das Schuljahr 1984/85 zum Landesvorsitzenden der Schülervertreter in der Arbeitsgemeinschaft “ Freie Schulen in Niedersachsen“ gewählt wurde (…) „. Es gab tatsächlich eine Zeit, zu der ich zugleich die Disco und die Feuerwehr geleitet habe und im PV tätig war!

Dieser soziale Aspekt begleitet mich seit dem Internat. Immer wieder erbringe ich gern pro bono Engagement; unter anderem auch für das LSH.

Recht früh in meinem Leben zeigte sich eine Neigung zur rechtlichen Argumentation. Mein Vater sagte mir als Siebenjähriger, dass ich der geborene Anwalt sei, weil ich mich so hervorragend aus Dingen herausargumentieren und eloquent Sachverhalte in das meiner Meinung nach richtige Licht rücken konnte. Dies sollte mir nicht nur als Schulsprecher zugutekommen; nach absolvierter Bundeswehr wählte ich 1987 Jura als Studienfach. Nach sechs Semestern in Passau wechselte ich nach Göttingen, wo ich mit Freund und Altschüler Ingo Paeske eine fidele, trinkfeste Wohngemeinschaft gründete. Im Anschluss an mein Examen trat ich 1992 mein Referendariat in einer renommierten wirtschaftsrechtlichen Sozietät in Hannover an und tauchte derart schnell in das Arbeitsleben ein, dass meine Dissertation nie über das Festlegen eines Themas hinauskam – sie fiel schlichtweg dem schnöden Mammon zum Opfer.

1994 hatte ich in Berlin das Glück, an der Privatisierung des VEB Kombinat Umformtechnik „Herbert Warnke“ in Erfurt mitwirken zu dürfen. Dies führte 1995 zu einem Ruf als Syndikus der privatisierten Umformtechnik, sowie zur Gründung einer eigenen Kanzlei in Erfurt.

Auch wenn unser familiärer und beruflicher Lebensmittelpunkt seit 2007 wieder Volpriehausen ist, sind wir nach wie vor eng mit Thüringen verbunden. Meine wunderbare Frau Ursula als Geschäftsführerin des Industrieclubs Thüringen und ich durch mehrere relevante, teilweise seit 1995 bestehende, Dauermandate.

Wer mich kennt, weiß um meine Affinität zum Adel. Als der thüringische Standesbeamte sich 2000 im Zuge unserer bevorstehenden Eheschließung nahezu devot erkundigte, ob der künftige Familienname zutreffend „Freiherr von Sander-Waldstätten“ laute, muss er diese erahnt haben. Gleichwohl widerstand ich der Versuchung tapfer.

Unsere drei prachtvollen Söhne wachsen in doppelter Hinsicht im Solling auf: Zwei unserer Söhne sind mittlerweile auch LSHler und führen die Tradition fort! 2021 degenerierte unser Haushalt binnen eines Jahres also von einem Fünfpersonenhaushalt mit zwei Hunden zu einem Zweipersonenhaushalt mit zwei Hunden. Unser Erstgeborener, Ferdinand, zog in eine Einrichtung für Autisten und unsere beiden anderen Söhne, Benedikt und Constantin, zog es ans LSH. Ich muss gestehen, so ganz habe ich mich noch nicht daran gewöhnt. Es gibt für mich einfach nichts Schöneres, als wenn alle gemeinsam an einem Tisch versammelt sind, miteinander essen und sich austauschen, während die Hunde um uns herumtoben! Da ich jedoch aus eigener Erfahrung weiß, wie viel über die Schulbildung hinaus am Internat Solling vermittelt und in das Leben mitgegeben wird, überwiegt die Freude für unsere Söhne jedweden Trennungsschmerz. Zumal sie ja häufig mit Freunden bei uns sind, und wir miteinander lebhafte Mahlzeiten genießen.

Im Dezember 2023 durfte ich das 60. Lebensjahr vollenden. Werde ich nach einem Credo gefragt, so lautet dieses:
„Die wesentlichen Dinge, um im Leben Glück zu erlangen, sind: etwas zu vollbringen, etwas zu lieben und auf etwas zu hoffen.“

Das LSH leistete und leistet noch heute einen wertvollen Beitrag dazu, dass ich mich von meinem Credo nicht allzu weit entfernt fühlen darf. Wofür ich sehr dankbar bin.

im Mai 2024