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Ich bin mehr Karlsson vom Dach als denn Pippi Langstrumpf, mehr Bezugs-, als Autoritätsperson, mag auch eigentlich ein gewisses Maß an Ungehorsam – bin mir meines pädagogischen Auftrages aber dennoch bewusst. Und in all dem bin ich vor allem eines: wahnsinnig gerne Lehrerin! Genau genommen habe ich einen Großteil meines Lebens in meinen beiden Leistungskursen Deutsch und Englisch zugebracht – erst hinter einem Schultisch, dann vor der Schultafel. Vor Schultafeln befinde ich mich als Lehrende seit rund 23 Jahren, vor denen des Internats Solling seit August 2022.

23 Jahre Tätigkeit als Lehrerin sind für eine, die genau das nie werden wollte, eine ganz schön lange Zeit! Doch bin ich in meinem ersten Studium an mir, an meiner damaligen Schüchternheit gescheitert. Das Studium der Sinologie bedeutete nun mal auch, sich nach China zu begeben – das habe ich damals nicht über mich gebracht und mich stattdessen auf den Ratschlag meines Vaters besonnen, dass es mir schon immer Freude bereitet habe, anderen Personen Wissen zu vermitteln. Er hatte Recht, ich kann mir inzwischen keinen anderen Beruf mehr für mich vorstellen. Ich genieße es, täglich durch immer wieder andere Unterrichtsbegebenheiten gemeinsam mit unseren Schüler:innen neugierig bleiben zu dürfen und dazuzulernen. Insbesondere in meinem Drittfach „Darstellendes Spiel“ erschaffen wir miteinander auf Augenhöhe etwas Neues.

Da es mir als verbindlicher Mensch wichtig ist, Bindung zu meinen Mitmenschen aufzubauen, fühle ich mich am Internat Solling auf eine sehr erfüllende Art und Weise neu in meinem Beruf angekommen. Das Erleben der Schüler:innen über das Läuten der Pausenglocke hinaus ermöglicht eine völlig neue Beziehungsarbeit und auch immer wieder erweiternde Blickwinkel auf Menschen des beruflichen Umfeldes. Ich liebe es, mich hier mit meiner ganzen Person einbringen zu können! Was für ein Geschenk, meinen Beruf nach all diesen Jahren in dieser Weise er-leben zu dürfen. Mit Beginn des Schuljahres 2023/24 erfährt diese Freude noch eine Steigerung, da ich im Oberhaus eine Kam übernommen habe. Während des Einrichtens meiner „Internats – Wohnung“ hatte ich ein fast studentisches Lebensgefühl – und habe sie mir mit Hilfe einiger schönen Vintage – Möbelstücke wohnlich gemacht. Maximal minimalistisch. Um aus einem meiner Lieblingsbücher, „Das Buch vom Tee“ zu zitieren: „Der Raum zwischen den Dingen ist so wichtig wie die Dinge selbst“. Wenige Dinge um sich zu stellen gewährt freien Platz für Ruhe; Augen und somit auch der Geist können verweilen. Ist unsere Welt doch bereits übervoll. Um die Straßen nicht auch noch voller werden zu lassen, haben wir auch kein eigenes Auto, sondern mieten bei Bedarf ein Stadtteilauto. Zu meiner Familie, die nach wie vor in Göttingen lebt, reise ich mit dem Überlandbus. Es hat mich überrascht, selbst im Jahre 2023 noch sehr kritisch gefragt zu werden, wie ich denn „meine Familie in Stich lassen könne“. Würde ein Mann mit dieser Frage konfrontiert werden? Ich glaube mal kaum! Hier am LSH darf ich meinen Beruf als Berufung erkennen und fühle mich wie ein Fisch im Wasser. Somit gilt „happy wife, happy life“ und unsere familiären Bindungen erfahren eine Frischzellen-Kur.

In all dem Neuen ist unser Hund Knut mir eine treue Konstante, dank ihm nehme ich mir auch die Zeit, all die schöne Natur um unser Gelände ausführlich zu genießen. Um dann, gründlich durchgelüftet, mit einem tiefen Atemzug wieder voll in das Internatsleben einzutauchen. Da bin ich ganz und gar gerne.