- Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.
Das Ende des Prager Frühlings
26. August 2018 / 8:00 - 17:00
50 Jahre ist es her, da rückten die Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR ein und zerschlugen in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 die Reformen und Hoffnungen auf einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. Joachim Schütte erinnert in seiner Abendsprache vom vergangenen Sonntag an den Prager Frühling und sein brutales Ende.
Er holt dafür weit aus, erzählt vom Zweiten Weltkrieg und der deutschen Besatzungszeit, von der Befreiung durch die Rote Armee und der daraus resultierenden Begeisterung der Tschechen für die Kommunisten, die schon bald die Macht im Land übernahmen, das nach sowjetischem Vorbild gestaltet wurde. Er berichtet auch von den Verhaftungen und Schauprozessen der 50er Jahre und schließlich davon, wie sich Widerstand entwickelte, die Proteste in den 60er Jahren immer lauter wurden und Reformer schon ab 1963 versuchten, einen liberaleren Kurs durchzusetzen.
Der so genannte Prager Frühling begann dann im Januar 1968, als Alexander Dubček den Parteichef der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei, Novotny, ablöste und sich für umfassende politische Veränderungen stark machte. Unter dem Stichwort „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ setzte sich Dubček vor allem für Pressefreiheit, den Abbau des Zentralismus und wirtschaftliche Reformen in seinem Land ein.
Viele Menschen in der CSSR sahen darin die Chance auf einen Dritten Weg – neben dem Kapitalismus des Westens und dem sowjetischen Kommunismus. Bis es im August zum Einmarsch kam, versuchte die tschechoslowakische Regierung unter dem Druck der Sowjets und anderer Oststaaten, die Dynamik des Prager Frühlings vorsichtig abzubremsen, ohne jedoch wirklich zu den alten Mustern und Strukturen zurückzukehren. Doch die sowjetische Seite hatte die Intervention wohl schon vor den Verhandlungen Ende Juli in Cierna beschlossen, sagt Schütte in der Hohen Halle. Anders als in Ungarn stießen die Panzer in Prag nicht auf bewaffneten Widerstand, wohl aber auf den gewaltlosen Protest nahezu des gesamten Volkes. Dubček und andere Reformpolitiker wurden noch in der Nacht des Einmarsches verhaftet und nach Moskau verschleppt, wo sie tagelang festgehalten und schließlich gezwungen wurden, ihre Kapitulation zu erklären. Zurück in Prag verloren die Reformer ihre Ämter und mussten als Maurer, Fensterputzer oder Waldarbeiter arbeiten.
Joachim Schütte beendet seinen Vortrag zum Prager Frühling mit der Geschichte des Studenten Jan Palach, der sich am 16. Januar 1969 auf dem Wenzelsplatz mitten in Prag aus Protest selbst verbrannte und seitdem als Märtyrer des Prager Frühlings gilt, und schließt mit den Worten: „Der Prager Frühling war vorbei. Aber wer an ihm teilgenommen oder ihn – wie viele in der DDR – aus der Nähe beobachtet hatte, konnte selbst in der bleiernen Zeit vor 1989 nicht mehr annehmen, dass diktatorische Ordnungen für die Ewigkeit gemacht sind.“