
Man könnte mich in einen weißen Raum einschließen – solange ich dort ausreichend Zeichenmaterialien zur Verfügung hätte, wäre ich glücklich.
Ich wünsche mir nicht, was ich zeichne. Vielmehr zeichne ich, was ich interessant finde. Meine derzeit liebsten Motive sind schwebende Landschaften und Häuser, die krumm und schief ineinander verwurzelt sind. Nach Versuchen mit verschiedenen Materialien verwende ich momentan am häufigsten Fineliner, da ich es sehr mag, Motive bis in das allerkleinste Detail ausarbeiten zu können. Es war mir eine Überraschung und eine schöne Bestätigung, im Rahmen des „Wefels Preises“ eine Ausstellung und im Rahmen des „Neças Preises“ ein kleines Preisgeld gewonnen zu haben.
Wenn mich ein Thema interessiert, brenne ich wie verrückt dafür! So war es zum Beispiel als kleines Kind mit Schlüsseln. Ich habe als kleiner Pimpf einen riesigen Schlüsselbund mit mir herumgeschleppt, der dank meiner Mutter und Besuchen mit ihr beim Schlosser immer größer und größer wurde. Die Faszination für Schlüssel wurde von der für Helikopter abgelöst, ich konnte sämtliche Flugobjekte dieser Art ihren Herstellern zuordnen. Meine aus Pappe und Stiften selbstkreierten Modelle füllten erst unseren gesamten Keller, bis meine Eltern sie „begeisterten Handwerkern, die sie bei uns gesehen haben“, verkauften. Das habe ich ihnen damals wirklich geglaubt! Meine großartigen Eltern haben mir dann zu meinem 6. Geburtstag einen Helikopterflug geschenkt, das war das Größte! In den USA waren es dann Zauberwürfel, die ich in allerlei Ausführungen hatte und binnen 20 Sekunden (unter Wasser!) lösen konnte… In der 7. Klasse hatten wir im Kunstunterricht bei Frau Weil das Thema „Graffiti“. Diese Phase hielt lange an! Ich habe mich derart tief in das Thema eingearbeitet, dass ich gut genug wurde, um eine Zeitlang meine Motive auf der Seite „Fiverr“ zu verkaufen. In der 11.Klasse musste ich dann feststellen, dass nun „Schule“ einer intensiven Beschäftigung bedurfte und habe mich auch wirklich auf den Hosenboden gesetzt.
Meine Begeisterung hat mit der Entscheidung, Kunst als Leistungskurs zu wählen, zugenommen. Derart stark, dass ich mich an der „AA School of Architecture“ in London beworben habe – und tatsächlich angenommen worden bin. Wunderbarer Wahnsinn und insbesondere deswegen großartig, weil ich alles auf eine Karte gesetzt und mich ausschließlich dort beworben habe! Es erfüllt mich mit unbändiger Vorfreude, an dieser anspruchsvollen, persönlichen und künstlerisch breit aufgestellten Universität lernen zu dürfen. Derzeit träume ich davon, später als Architekt alten Gutshäusern neues Leben einzuhauchen.
Wir haben vor neun Jahren als Familie entschieden, frei nach der Poetryslam-Künstlerin Julia Engelmann das Motto – „Lass uns heut Geschichten schreiben, die wir später gern erzählen!“ – für zwei Jahre in Kalifornien zu leben. Später war ich für ein dreiviertel Jahr in Norwegen auf dem „Outdoor College“, dessen damaliges Konzept Unterricht im Freien, vielen Gruppenprojekten und tagelangen Husky-Touren mir bis heute eine tiefe Verbundenheit mit der Natur brachte. Diese Auslandserfahrungen waren sehr vielfältig und prägend. Unter anderem kann ich mich auf mein Englisch verlassen und weiß, dass es mir gut gelingt, mich in neuen Umgebungen einzufinden.
Was natürlich auch auf meine Internatserfahrung zurückzuführen ist. In unserer Familie mit vier Kindern ist immer viel los, doch ist es ungleich intensiver und herausfordernder, mit Gleichaltrigen auf engem Raum gleichzeitig erwachsen zu werden. Eine Erfahrung, die ich mit meinem Großvater, meinem Vater und seinen Geschwistern und nun wiederum mit meinen Geschwistern teile. Wir sind alle Internatskinder. Insbesondere nach unserer Rückkehr aus den USA waren die kleinen Klassen und der familiäre Umgang am Internat Solling super für mich, um wieder Fuß in Deutschland zu fassen.
Ein bisschen ist meine Zukunft wie der eingangs erwähnte weiße Raum. Ich habe ausreichend Fantasie, um den Raum nach meinem Gusto auszugestalten. Zudem haben mich meine Familie und die Zeit am Internat Solling mit allem ausgestattet, was es benötigt, um nun aus der behüteten Jugend heraus in das Leben als selbstverantwortlicher Mensch zu treten. Ich bin ein wenig aufgeregt und vor allem eines: neugierig – vorfreudig. Next Stop: London!
Im Oktober 2024
