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Michael Burger

Bei all meinen Überlegungen steht immer im Mittelpunkt, bei jedem einzelnen Schüler das in den Vordergrund zu stellen, was er gut kann – nicht, ihm nachweisen zu können, was er nicht kann. Dabei bin ich schon relativ streng, bemühe mich aber immer, fair zu handeln.
Es ist mir nicht wichtig, dass aus Altschülern Millionäre werden. Sehe ich aber, dass aus Schülern, die mit mir zu tun hatten, glückliche und zufriedene Menschen geworden sind, die ihr Leben im Griff haben, so erfüllt mich dies mit Stolz. 

Über LinkedIn halte ich mit vielen Altschülern losen Kontakt und beobachte, wie sie ihren Platz im Leben finden. So habe ich zum Beispiel im letzten Urlaub einen Altschüler besucht, der lange Jahre in meiner Kam war. Nun lebt er auf Fuerteventura, hat mittlerweile eine Familie gegründet und mir während meiner Stippvisite gezeigt, wie er nun lebt. Das hat mich riesig gefreut.

Um abzuschalten ziehe ich mir meine Turnschuhe an und gehe im Wald laufen. Dies ist für mich der Moment, in dem ich über viele Dinge nachdenken kann. Während des Laufens kann ich über dieses oder jenes fluchen, mich über dieses oder jenes freuen und am Ende des Weges sind viele Dinge bewältigt. Oder es ist mir deutlicher bewusst, dass ich an das entsprechende Thema noch mal ran muss. Diese seelische Hygiene funktioniert gut für mich.

Da ich mich sehr gut mit Details beschäftigen kann, ohne pingelig zu sein, entspanne ich auch bei meinem anderen Hobby, dem Sammeln von Privatpostmarken bis 1900, sehr gut. In diesem Bereich beteilige ich mich deutschlandweit erfolgreich an Ausstellungen und nehme sogar an europäischen Meisterschaften teil!
Habe ich mich für Etwas entschieden, so setze ich dies mit aller Konsequenz durch! Natürlich nehme ich Rücksicht auf „hätte & wenns“, bin aber der Meinung, dass zum Wohle der Institution und der Personen getroffene Entscheidungen ohne Hadern durchgezogen werden müssen. Nach einer gewissen Zeit kann man sie dann sicherlich hinterfragen, doch bitte nicht gleich nach dem gefassten Entschluss. Die Dinge müssen Zeit haben zu reifen, sich zu entwickeln.

Meinen Entschluss für die Tätigkeit hier am Internat Solling habe ich seit Arbeitsbeginn 1997 nur ein einziges Mal in Frage gestellt. 14 Tage, nachdem ich hier begonnen habe, fand die große Wanderung statt. Es gab da einen Vorfall mit einer Schülermutter, bei dem mir mein Kollege Ullrich Jakobi mit seiner direkten und bestimmenden Art hilfreich unter die Arme griff. Sie war derart überfürsorglich, dass es nicht mehr schön war. Das war es für mich! Doch der damalige Schulleiter und der Elternratsvorsitzende hatten die Wut der Mutter schon kanalisiert, so dass das Donnerwetter, das ich erwartet hatte, sich eher in ein Lob wandelte. „Große Wanderung“ hat eben doch etwas mit Wandern zu tun. Damals gingen wir den Rennsteig in Thüringen entlang, gut 130 km innerhalb einer Woche. Direkt im Anschluss war Heimfahrtwochenende und in dieser zweitägigen Atempause habe ich das einzige Mal gehadert. Geht das mit den Eltern so weiter? Sind alle Schüler so drauf?

Nein. 20 Jahre blieb ich dann am LSH. 2018 folgte ich dem Ruf meiner Familie und wechselte in den Staatsdienst nach Wernigerode, Sachsen-Anhalt. Und hier schließt sich der Kreis für mich. 1909 wurde in Wernigerode, im Hotel Gothisches Haus, das Internat Solling gegründet. 

Es lässt mich eben doch nicht los! 
Und – so denke ich – es ist gut so, denn es war eine lebensprägende Zeit, in der ich tolle Menschen kennen lernen konnte, in der ich Freunde gewann, in der mein Sohn Lukas geboren wurde, in der ich das Glück meines Lebens fand, in der ich mit meinen Aufgaben wuchs. Und all das bereue ich nicht, all das möchte ich nicht missen.

im Februar 2019

Michael Burger