Hannah Mackenroth
Ich glaube, der Zufall ist allem voraus. Es ja gibt unzählige Faktoren im Leben, die man nicht beeinflussen kann, so dass es am Ende fast immer der Zufall war (auch wenn man die Illusion hatte, der Entscheidende gewesen zu sein). Glück ist, denke ich, der Moment, in dem wir etwas ausschließliches, etwas ganz „rohes“ vollständig dem Zufall zuschreiben.
Das Wichtigste ist, dass man sich dieses Glück bewusst macht. Ich bin stolz darauf, für mich den Willen entwickelt zu haben: Sehen, was gut ist und dass es immer irgendwie nach vorne geht. In dem Tempo, das für mich persönlich das richtige ist. Bei vielen Dingen brauche ich lange, um mich wirklich wohl zu fühlen und diese Zeit nehme ich mir mittlerweile auch. Brauche ich eine Pause, so ist es nur eine Pause und klappt etwas überhaupt gar nicht, gerate ich nicht mehr in ein wahnsinniges Verzweifeln und Festbeißen. Ich bin davon überzeugt, dass man sich dafür entscheiden kann, das Positive in allen Dingen zu sehen.
Da mich Menschen und ihre Verhaltens- und Handlungsweisen sehr interessieren und ich gerne verstehen möchte, welche Faktoren sie beeinflussen und warum Menschen so werden wie sie sind, studiere ich Psychologie. Es ist der Wahnsinn, wie bereits die kleinsten Einflüsse, denen man zunächst keine Bedeutung beimessen würde, Veränderungen mit sich bringen können. So finden sich zum Beispiel Menschen, deren Namen mit demselben Buchstaben beginnen oder einen ähnlichen Wortklang haben, signifikant attraktiver!
Abschalten kann ich am besten, wenn ich spazieren gehe. Das war auch am Internat Solling schon so, ich war oft im Hasselbachtal zu sehen! Ich glaube, der schönste Geruch auf der Welt ist der von sich senkendem oder aufsteigendem Tau. Hier in Marburg ist die Landschaft der des Sollings sehr ähnlich und so genieße ich zum Beispiel aus dem Küchenfenster einen Anblick, der einem Ölgemälde gleicht: Ich blicke auf eine lehmige Wand, eine kleine Kapelle, im Hintergrund ragt das Marburger Schloss und daneben bäumt sich der Wald auf. Neben einer ausgiebigen Dusche der beste Tagesstart!
Besuche am Internat Solling sind für mich immer mit dem Gefühl des nach Hause Kommens verbunden. Einmal brannte eine Lampe in meinem ehemaligen Zimmer und ich habe mich tatsächlich bei einem „Oh, ich habe vergessen, das Licht auszumachen“ erwischt – da wohnte ich schon länger nicht mehr im LSH! Obwohl es bei Besuchen ja meist sehr lebhaft zugeht, bin ich hier innerlich ganz ruhig und geöffnet. Es überrascht und erfreut mich jedes einzelne Mal aufs Neue, wie intensiv mich das Gefühl erfasst, wie wahnsinnig toll es ist, die Zeit in Holzminden gehabt zu haben und ein Stück weit immer noch mit dem LSH verbunden zu sein. Hier erfahre ich Erdung, weiß, wo meine Wurzeln sind und werde daran erinnert, wer ich bin und welcher Mensch ich sein möchte.
Meines Erachtens ist dies eine der Kernkompetenzen des Internat Solling: Es bietet die Möglichkeit, sich in einem geschützten Rahmen selbst zu explorieren. Die pubertären Unebenheiten werden einem geebnet und durch die Vielzahl an Angeboten in kulturellen, sportlichen und künstlerischen Bereichen ist ein reich bestelltes Feld an Experimentiermöglichkeiten geboten. Dies habe ich nutzen können. Nun gilt es herauszufinden, auf welche Art und Weise ich später anderen Menschen auf ihren Wegen helfen kann.
im Februar 2019