Klaus Busch
Schon als Kind hat mich am Protagonisten meines Lieblingsbuches fasziniert, dass er für alles Verständnis hatte und still in sich ruhte. Alles aufgeblasene, laute und nicht reflektierte nervt mich. Ich habe sehr an mir gearbeitet, ein in mir ruhender und die Welt akzeptierender Charakter zu werden. Das ist mir nicht immer leicht gefallen, doch möchte ich gerne so sein und brauche die daraus resultierende Ruhe.
Dies ergänzt mein auf einer China-Reise entstandener Spitzname hervorragend:
Klaus Buddha Busch. Während einer Vietnam-Reise wurde mein Bauch eher als Zeichen von Maßlosigkeit kritisch und spöttisch betrachtet. In China hingegen hat er mir viele lustige und herzliche Begegnungen beschert! Es kamen zwei kichernde Studentinnen auf uns zu, die schüchtern fragten, ob sie wohl mal meinen Bauch streicheln dürften – was sie dann ganz andächtig, einhändig kleine Kreise ziehend, taten. Auf mein Nachfragen hin haben sie uns dann erklärt, dass es in China Glück bringt, einen gerundeten Bauch zu streicheln. Zu unserer Freude haben sie sich mit einer Einladung zu einer echten, zweistündigen Tee-Zeremonie revanchiert. Ich habe noch vielen Menschen Glück gebracht auf dieser Reise und wurde auch in den Fotoalben einer Schulklasse, auf die wir vor einem Monument trafen, verewigt!
Auch wenn ich als Mathematiker großen Wert auf logisches und strukturiertes Denken lege, liebe ich die Schüler, wie sie sind. Wenn jemand ein Typ ist, ist mir wirklich herzlich egal, ob er Mathe kapiert. Das wissen die Schüler auch und fühlen sich deshalb gut bei mir aufgehoben – ich akzeptiere sie als die Menschen, die sie sind. Dadurch bauen sich keine Blockaden auf und wir können gut miteinander arbeiten. Dass ich mal so sehr gern Lehrer sein würde, hätte ich mir während meines Studiums wahrlich nicht erträumt ¬ – es war eine wirklich harte Zeit für mich. Trockene Mathematik, die in einem Wahnsinnstempo durchgepaukt wurde, auch in Physik war von Versuchsaufbauten mit Schülern wenig die Rede! Erst nach dieser Zeit, die ich mit viel Fleiß und Überwindung hinter mich gebracht habe, ging es dann im Referendariat endlich einmal um Schüler. Das Referendariat habe ich in Nordhorn an der holländischen Grenze gemacht. Ich habe diese Region in mein Herz geschlossen und fahre immer noch sehr gerne regelmäßig dort hin.
Hier am Internat Solling habe ich dann gemerkt, dass ich doch den richtigen Beruf gewählt habe. Mein Einstieg allerdings war etwas schräg: Auf meine Bewerbung hin hieß es, es werde gerade kein Lehrer gesucht. Ich könne aber schon mal mitwohnen und ein Praktikum machen. Dies kam für mich wie gerufen, da ich eine Dozentenstelle an der Hochschule für Architektur angenommen hatte und Lesungen in Darstellender Geometrie hielt. Parallel habe ich hier am Internat Nachhilfe gegeben und große Freude an der Gemeinschaft gefunden. So ging es fast ein Jahr. Kurz vor den Sommerferien 1984 kam dann der damalige Leiter (Herr Brückner) auf mich zu, ob ich mir vorstellen könne, einige Stunden Mathematik zu unterrichten. Dies sagte ich leichtsinniger Weise zu. Zwei Wochen später fragte er, ob ich nicht auch eine Kam übernehmen könne. Auch dies bejahte ich. Wiederum zwei Wochen später, kurz vor dem Ende der Ferien, erweiterte Herr Brückner die Frage um einen neu beginnenden Physik-Leistungskurs und einen Mathematik-Leistungskurs in Abiturvorbereitung. So war ich auf einmal voll mittendrin und voll bis oben mit Arbeit! Die Dozentenstelle an der Architekturhochschule habe ich dann nach einem halben Jahr abgegeben.
Wer so lange an einem so besonderen und interessanten Ort arbeitet und größtenteils ja auch lebt wie ich, ist natürlich randvoll mit Erinnerungen und Dönekes. Meine Tagebücher sind randvoll! Dieses mir liebe Ritual des abendlichen Festhaltens des Tages vollziehe ich mit Hilfe meiner Füller. Diese sammle ich – mittlerweile sind tatsächlich um die 60 Füller in meinem Besitz. Ich kann es gar nicht leiden, wenn einer beim Schreiben kratzt, dann wird der Federkopf umgeschliffen, der Tintenleiter gesäubert und der Füller frisch mit Tinte befüllt. Der mir liebste Füller stammt aus einem Antiquitätenladen hier in Holzminden. Dank seiner Goldfeder schreibt er fantastisch und nimmt es nie übel, wenn ich mal ein paar Wochen lang andere Füller benutze. Treu und brav erfüllt „Tante Käthe“(wie er Dank einer Gravur, die er beim Erwerb trug, heißt) seinen Dienst.
Meine beiden Töchter sagen immer noch, dass die Zeit auf dem Internatsgelände die schönste Zeit ihres Lebens war. Sie sind „wie in Bullerbü“ inmitten gleichalter Kinder hier groß geworden. Ich habe hier meine Leidenschaft für Musik mit der Lehrerband ausgelebt und tobte mich während der Ferien gerne im Kunstraum aus, wo ich alle Materialien zur Verfügung hatte und ein Bild auch mal stehen lassen kann. Mein erstes größeres Bild hatte ich mir einen Skizzenblock lang mit dem Üben der richtigen Pinselführung erarbeitet. Das Ziel war, Blüten ohne Absetzen des Pinsels so darzustellen, dass sie lebendig wirken. Was soll ich sagen? Es ist gelungen!
Am unvergesslichsten aber sind neben all den zwischenmenschlichen Begegnungen: Die Sonnenuntergänge vom Mittelhaus aus betrachtet. Ein immer wieder traumhafter, sich für mich nicht abnutzender An-und Augenblick.
Alles im Leben hat seine Zeit. Ende letzten Jahres bot sich mir eine schöne Wohnung in der Stadt und so wohne ich nun „extern“. Für mich beginnt in anderthalb Jahren der Lebensabschnitt des Reisens. Ich habe Spanien, Portugal, Griechenland und Jugoslawien noch nicht erlebt. Auch Schottland und die Cotswolds von England stehen ganz weit auf meiner Wunschliste. Das werde ich mir alles ganz in Ruhe ansehen.
im April 2019