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Ich laufe, um anzukommen. Das Laufen an sich ist für mich mittlerweile ein automatisierter, dadurch fast schon “langweilig“ zu nennender Vorgang, und da ich die Laufstrecken (in den eineinhalb Jahren, die ich mittlerweile am Internat Solling bin, dürfte ich rund 3000 Kilometer gelaufen sein) gut kenne, ist auch die Umgebung nicht mehr sonderlich spannend für mich. Das Ankommen an sich, das Erreichen des Ziels – das ist ein Moment, dessen ich nicht müde werde.

„Nicht müde werden“ ist etwas, das sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht. Es heißt, ich würde mir meine Tage zu voll packen. Hier eine wahrscheinlich unvollständige Liste meiner nebenschulischen Aktivitäten: Badminton, Basketball, Handball, Fußball, Leichtathletik, Schwimmen, Schach, die naturwissenschaftliche Wettbewerbs-AG, Mathe-AG, Demokratie-Werkstatt, BiBo-Dienst, Sanitätsdienst, Jung trifft Alt, Theater-AG, Film-AG, THIMUN,… Meines Erachtens kann man nicht zu viel machen, man kann sich nur überfordern. Ich fühle mich in keinster Weise überfordert – vielmehr bin ich schlichtweg vielinteressiert und starte gut gelaunt in jeden einzelnen Tag!

Frei nach dem Offizier der Elite-Einheit „Navy Seal“, William Mc Raven, der da sagte: „Wenn ihr die Welt verändern wollt, müsst ihr damit anfangen, euer Bett zu machen“ ist diese ordnende Tätigkeit tagtäglich meine erste. Ja, ich möchte tatsächlich die Welt verändern – bzw. Spuren hinterlassen. Mein ursprünglicher Zukunftsplan sah ein naturwissenschaftliches Studium in Mathe/Physik oder Medizin vor. Doch bin ich in dem kulturellen Miteinander hier am Internat Solling mit spannenden, anderen Weltbildern konfrontiert worden, die meinen Blick auf die Zukunft verändert haben. Derzeit kann ich mir tatsächlich vorstellen, in die aktive Politik zu gehen. Unsere jetzige Welt braucht insbesondere in der Politik neue, junge Ideen und Kraft!

Mein „volle Kraft voraus“ ist intrinsischer Natur. Was es nicht eben leichter macht, mich zu bremsen – bzw. einfach mal mit vollbrachten Leistungen zufrieden zu sein. Dies gelingt mir bisher eher selten. Trotzdem würde ich mich nie als Perfektionisten bezeichnen; ich lebe und leiste vielmehr sehr gut nach dem Pareto-Prinzip (das Pareto-Prinzip besagt, dass 80% der Ergebnisse mit nur 20% des Aufwands erzielt werden können. Es wurde nach Vilfredo Pareto benannt). Das meiste von dem, was ich mache, mache ich sehr gerne gemeinsam mit anderen. Was sollte es denn sonst sein, was wichtig im Leben ist, wenn nicht, etwas mit anderen gemeinsam zu erleben?! Geteilte Freude ist vervielfachte, davon bin ich überzeugt. So verdoppelt es zum Beispiel meine Begeisterung für das Theaterspielen, dies gemeinsam mit anderen zu tun. Nicht nur, dass ich mich selber in eine völlig andere Rolle hineinbegeben darf, ich kann während des gemeinsamen Erarbeitens und Darbietens eines Stücks auch meine Mitspielenden ganz anders und neu erleben. In meiner Heimatstadt Hamburg war ich an der „Stage School Hamburg“ und es freut mich natürlich außerordentlich, dass das Theater auch hier am Internat Solling einen hohen Stellenwert hat.

Kurz bevor ich zwecks Schulantritt nach Holzminden gereist bin, hatte ich auf einmal Zweifel. Wie wird es mir ergehen, lohnt es sich, für das Internat meine Schulzeit um ein Jahr zu verlängern (ich war auf einer G8-Schule), oder ist es verschenkte Zeit? Mittlerweile weiß ich, dass die Entscheidung, mich auf ein Stipendium zu bewerben, eine sehr gute war! Nicht nur, dass ich, der früher auf Klassenfahrten immer Heimweh hatte, in meiner Kam das Gefühl habe, als hätte ich noch mehr Brüder als vorher. Darüber hinaus habe ich mich hier am Internat Solling insbesondere im zwischenmenschlichen Bereich sehr zum Positiven entwickelt; ich komme viel stärker aus mir heraus und genieße es natürlich, meinen unzähligen Interessen geballt auf unserem Gelände nachkommen zu können. Meine persönliche Definition von Langeweile ist „über eine lange Dauer hinweg immer nur dasselbe machen“ – ein Gefühl, dass hier definitiv nie aufkommt. Vielmehr noch: Meine gesamte Zukunft profitiert schon jetzt von meiner Zeit am Internat Solling. Somit ist es ganz sicher keine „verschenkte“, sondern vielmehr eine mein Leben beschenkende Zeit hier in Holzminden.
Mal gucken, wo mein persönlicher Zieleinlauf sein wird.

im Januar 2024