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28. Juni 2018
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Zukunftsgespräche im Solling: Neue Chancen für die Lebensform Internat

29. Juni 2018

Sie brennen auf den Nägeln – die Fragen, die am 29. und 30. Juni im Internat Solling auf dem „Symposium zur Zukunft der Internate“ thematisiert wurden: Werden Kinder in der Schule, respektive im Internat Solling auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet, oder konzentrieren wir uns vielleicht zu sehr auf Wissensvermittlung und kognitive Fähigkeiten? Wie begegnen wir der zunehmenden Digitalisierung? Und was ist die besondere Rolle, die Internaten angesichts der tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft zukommt? Schulleitung und Stiftungsrat hatten neben Lehrern, Altschülern und Eltern der Schule auch Gäste aus anderen Internaten und vor allem renommierte Wissenschaftler eingeladen, um über Bildungspolitik im Allgemeinen und die Lebensform Internat im Besonderen zu sprechen.

Prof. Dr. Hermann Veith von der Universität Göttingen eröffnete die zweitägige Veranstaltung mit einem Vortrag über die „Herausforderungen der Zukunft für die Jugend“, die für ihn vor allem in der Optionalisierung des Lebens liegen: Da sich Kinder und Jugendliche heute Entscheidungszwängen in allen Bereichen ausgesetzt sehen, müsse es Schule vor allem anderen gelingen, Kompetenzen zu selbstbestimmtem Handeln zu vermitteln. Kompetenzorientierung sei demnach keine Luftblase, sondern die Verpflichtung, Bildung anders zu denken und nicht auf bloße Wissensvermittlung zu beschränken. Unbestimmtheit, Unvorhersehbarkeit und Ambivalenz auszuhalten, die Befähigung zu intelligentem Handeln in den verschiedensten Situationen und die Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben und für andere, seien Kernziele einer modernen Pädagogik.

Der Berliner Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Hans Anand Pant gehört zu den renommiertesten Bildungsforschern des Landes. Gleichzeitig ist er Leiter der Deutschen Schulakademie, die exzellente Schulpraxis in die Breite der Schullandschaft transportieren will und jedes Jahr den Deutschen Schulpreis vergibt. Am Internat Solling sprach er über „Aktuelle Umbrüche im Bildungssystem“ und fragte, wie konservativ Bildungspolitik und -praxis heute sein dürften. Angesichts der massiven Zunahme an Heterogenität in den Schulen stellte er fest, dass Lehrer hierfür derzeit schlechter denn je aufgestellt seien. Er forderte eine konsequente Verbindung von Sozial- und Bildungspolitik und erklärte, dass die Flüchtlingsdebatte und die Inklusion nur die Speerspitze dieser Entwicklung darstellten.

Desweiteren konnte jeder Teilnehmer im Verlauf des Symposiums je nach Interesse an einer von drei Arbeitsgruppen teilnehmen, die von einem Impulsvortrag eingeleitet wurden: Prof. Dr. Ivo Züchner von der Universität Marburg, referierte für die erste Arbeitsgruppe über das Thema „Individualismus und Vereinzelung versus Gemeinschaft und Zugehörigkeit“. Der Erziehungswissenschaftler forscht intensiv zu Parallelen und Unterschieden zwischen Internaten und Ganztagsschulen und hat als Sachverständiger am Kinder- und Jugendbericht des Bundesfamilienministeriums mitgewirkt. Wolfgang Vogelsaenger, ehemaliger Schulleiter der IGS Göttingen-Geismar, berichtete in der Arbeitsgruppe 2 sehr praxisbezogen und begeisternd von seinen Erfahrungen mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Die IGS setzt bereits seit vielen Jahren in kompletten Jahrgansstufen fächerübergreifend IPads für den Unterricht ein. Alle Klassenräume sind mit einem Flachbildschirm ausgestattet, über den Lehrer und Schüler kommunizieren können. Mit einem guten pädagogischen Konzept könne so gerade in Zeiten der Inklusion flexibler, kreativer und selbstständiger unterrichtet werden. Die dritte Arbeitsgruppe stand unter dem Titel „Fundamentalismus und Populismus versus demokratische Verantwortung“ und wurde von Kurt Edlergeleitet. Er ist einer der Gründungsväter der Hamburger Grünen und war sowohl als Lehrer denn auch als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik tätig. Fundiert erläuterte er den Zuhörenden Begriffe wie „Fundamentalismus“ und „Populismus“ und erklärte, warum es nicht reiche, lediglich bestens ausgebildete Ingenieure und Mathematiker vorweisen zu können. Er forderte von Lehrern und Schülern, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen, auch wenn man dabei die eigene Komfortzone verlassen und über Toleranz und ihre Grenzen nachdenken müsse.

In allen drei Arbeitsgruppen wurde angeregt und konstruktiv diskutiert und am Ende eine kurze Präsentation erstellt, mit der die Altschüler Friedel Martiny und Matthias Redlefsen und die 11.-Klässlerin Natalia Jagolski im Anschluss an die Workshops die Teilnehmer der jeweils anderen Arbeitsgruppen über die Ergebnisse informierten und den konkreten Bezug zum Internat Solling herstellten. Anschließend stellten sich drei Teilnehmer (Friedel Martiny, Marianna Rusche und Kurt Edler) den Rückfragen aus dem Plenum und führten mit diesem eine angeregte und fruchtbare Debatte.

Das Symposium endete mit einer vom Rundblick-Redakteur Martin Brüning souverän und gut gelaunt moderierten Expertenrunde zum Thema „Neue Chancen für die Lebensform Internat“. Hier saßen Dr. Erika Risse aus dem Stiftungsrat des Internates, David Lucius-Clarke, Internatsleiter der Klosterschule Roßleben und Henri Heiser, Leistungsstipendiat aus der 11. Klasse auf dem Podium und brachten noch einmal wesentliche Gedanken, Visionen und Wünsche für die Zukunft der Internatsschulen zur Sprache.

Auch ohne dass es auf alle Fragen fertige Antworten gab, fiel das Fazit durchweg positiv aus: Das alte, reformpädagogische Konzept von Kopf, Herz und Hand – schlagwortartig ergänzt um die Cloud – scheint auch den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen zu sein. Der geschützte Rahmen und das gemeinsame Leben und Lernen, bei dem Kinder und Erwachsene einander auf Augenhöhe begegnen, sind wesentliche Vorteile des Internats gegenüber öffentlichen Schulen. Ebenso wurden als zentrale Pluspunkte die hohe Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit eines Internates so wie sein strukturierter und in unruhigen Zeiten Halt gebender Tagesablauf ausgemacht.

Festhalten darf man wohl, dass diese Zusammenkunft eine gelungene Auftakt-Veranstaltung war, der mit Sicherheit weitere folgen werden.

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Datum:
29. Juni 2018
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