Dipl.Ing.agr. Sabine von Randow (geborene Sommer-Moll, LSH von 1969 . 1972)

Soziales Engagement war mir schon immer eine Herzensangelegenheit. Dank meines ausgeprägten Einfühlungsvermögens fällt es mir leicht, zu erspüren, was Menschen guttut und mich dafür stark zu machen. Somit war ich Zeit meines Erwachsenenlebens ehrenamtlich tätig. Auch beruflich habe ich mich dafür eingesetzt, anderen Menschen ein gutes Lebensumfeld zu schaffen. Mittlerweile sorge ich nunmehr in unserem Schrebergarten gemeinsam mit meinem Mann dafür, dass Pflanzen wachsen und gedeihen.

Während unseres einvernehmlichen Werkelns im Garten schweifen meine Gedanken häufig in das LSH ab, da wir aus Kam Lehmann so manch einen schönen Kam-Abend im Gartenhäuschen der Familie Lehmann verlebt haben. Nicht allein meine Naturverbundenheit hat am Internat ihren Anfang genommen, auch mein soziales Engagement – ich habe gerne Nachhilfe gegeben. Die wohl größte persönliche Bereicherung meiner Zeit in Holzminden waren die Erzählungen unserer internationalen Mitschüler, die mir dadurch eine völlig neue Welt eröffnet haben. Was habe ich sie um ihre Zweisprachigkeit beneidet, wie sehr habe ich es genossen, durch die Berichte von Dorita Schael gedanklich in Mexiko sein zu können! Ich muss meinen Eltern sehr davon vorgeschwärmt haben, so dass sie mir zum bestandenen Abitur völlig überraschend eine Reise nach Mexiko geschenkt haben. Welch große Freude! Neben dem Absolvieren eines Sprachkurses habe ich in einer Sozialstation gearbeitet, wo wir Lebensmittelpakete für alleinerziehende Mütter zusammengestellt haben und den Ärzten zur Hand gegangen sind. Darüber hinaus habe ich über die Mutter von Dorita Bekanntschaft mit Prof. Cremer, dem Gründer des ernährungswissenschaftlichen Institutes Gießen, gemacht. Nach einem gemeinsamen Besuch eines Vortrages im Rahmen eines Welterernährungskongresses stand für mich mein Zukunftswunsch fest: Ich wollte in einem Entwicklungsland tätig werden!

So habe ich mich für Ernährungswissenschaften in Gießen eingeschrieben, wo ich zunächst auch bei Familie Cremer wohnen konnte. Für das Vordiplom bin ich dann an die Universität Göttingen gewechselt, wo ich schlussendlich auch mein Diplom in Landwirtschaft gemacht habe. Nach einem einjährigen Ausbildungsprogramm der TU im Fachbereich „Entwicklung in ländlichen Räumen“ für internationale Landwirtschaft war es dann soweit: Ich habe im Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen drei Jahre auf Sansibar gearbeitet. Es war ein gutes und familiäres Arbeiten auf dieser schönen Insel, die bei aller Armut nicht verelendet war.

Wie das Leben so spielt – nach meiner Rückkehr habe ich meinen ersten Mann kennengelernt. Da er sich als Germanist und Kunsthistoriker im europäischen Kulturkreis aufhalten wollte, haben wir uns in Deutschland niedergelassen. Zunächst in Mannheim, wo er das Kulturzentrum „Alte Feuerwache“ geleitet hat. Sobald unsere beiden Kinder groß genug waren, habe ich mich neben einer Ausbildung in Hauswirtschaft ehrenamtlich für das Projekt „Café Filsbach“ engagiert, wo wir neben einer Begegnungsstätte auch einen Kreativraum mit Nähkursen und einer Schreinerei, Kinderbetreuung und anderem angeboten haben. Darüber hinaus waren wir auch in gutem Kontakt mit der jüdischen Gemeinde, haben eine Stadtteilzeitung mit Informationen aller Sozialverbände herausgegeben und waren Anlaufstelle für Patienten, die nach längeren Aufenthalten in medizinischen Einrichtungen wieder in die Welt gingen. Eine erfüllende, spannende Zeit! In deren Anschluss uns es in den hohen Norden nach Kiel zog, da mein Mann als Referent des Kultusministeriums berufen wurde. Neben den Aufgaben als Hausfrau und Mutter engagierte ich mich dort bis 2004 in der SPD.

Dann schied mein Mann und Vater unser beider Kinder sehr plötzlich aus dem Leben. Es folgte ein Jahr, in dem ich mich zwischen Friedhof, Garten und Zuhause bewegte und versuchte, nach diesem Schicksalsschlag wieder zu mir zu kommen. Zum Glück haben Familie und Freunde uns drei Hinterbliebene gut aufgefangen, zudem hat mein Glaube mich gestärkt. Es gab nie einen Bruch in meinem Glauben, er ist beständig in und bei mir.

Da stand ich. Allein mit zwei Kindern. Auf die Anregung einer lieben Freundin hin habe ich mich auf meinen Hauswirtschaftskurs zurückbesonnen und mich in der Seniorenbetreuung und Haushaltsführung Alleinstehender selbstständig gemacht, wo ich zwischenzeitlich vier feste Stellen parallel hatte. Mit diesem Aufgabengebiet schloss sich auch der Kreis, dass ich sehr gerne anderen Menschen helfe.

2011 passierte, was ich mir nie hätte vorstellen können und zuvor auch stets von mir gewiesen hatte: Ich lernte meinen jetzigen Mann kennen und lieben. Ich bin glücklich und stolz, dass wir miteinander, mit unseren Kindern und mittlerweile 7 Enkeln, eine harmonische und stabile Familie erschaffen haben, in der wir alle Geborgenheit erfahren.

Blicke ich mit meinen nunmehr 69 Jahren auf das Leben, so fasziniert mich eines immer wieder: Wie sehr vermeintlich zufällige Begegnungen und unplanbare Dinge es beeinflussen. Man muss nur im richtigen Moment zugreifen und das Glück beim Schopfe packen! So habe ich, da ich nach Jahren auf Mädchenschulen die Erfahrung machen wollte, mit Jungen unterrichtet zu werden und gar gemeinsam zu leben, am LSH Menschen kennen gelernt, mit denen mich bis heute eine kindlich-jugendliche Vertrautheit verbindet und die mir damals den Duft der weiten Welt in meine Gedankenwelt gebracht haben. Auf der darauffolgenden Reise haben sich meine Zukunftspläne gefestigt. 2011 saß ich in einem Café und lernte einen Mann kennen, der dieselben Werte wie ich lebt und schätzt – und der nun mein Ehemann ist. Wir genießen gemeinsam unseren Ruhestand. Die Freude an der Gartenarbeit, Besuche kultureller Veranstaltungen, Gymnastik und viel Bewegung halten uns fit. Und ich wünsche mir, dass dies noch lange so bleibt.

 

Im April 2023

Dr.Julia Diekmann ( Lehrerin am LSH seit 2020)

 

Als Frau, deren intrinsischer Perfektionismus selten unter 150% befriedigt ist, war es ein nicht nur leichter Schritt, als Quereinsteigerin die Lehrtätigkeit am Internat Solling aufzunehmen. Fest steht, dass dieser Schritt ein sehr guter war und ist. Ich liebe es, mit den Schüler:innen in Kunst zu schwelgen, sie ihnen näher zu bringen und gemeinsam mit ihnen in unterschiedlichen Formen auszuprobieren. Ihr Stolz über ein gelungenes Projekt ist definitiv ansteckend.

Wobei ich gestehen muss, siehe 150 %, dass ich neue Techniken ausprobiere, bevor ich gemeinsam mit den Schüler:innen weiter damit experimentiere! Der Unterricht und dessen Herausforderung, dass Unterrichtsstunden auch mal anders laufen als von mir geplant, ist mir eine gute Schule, meinen Perfektionismus zu bremsen. Dieser stand mir insbesondere bei der Veröffentlichung meiner Dissertation gründlich im Wege, forderte mein Doktorvater doch „radikales Kürzen“. Was mir augenscheinlich im richtigen Maß geglückt ist, durfte ich mich doch über die Auszeichnung mit dem Christian-Gottlob-Heyne-Preis der Universität Göttingen freuen! Ein recht dickes i-Tüpfelchen auf die tiefe Freude, nach einem Job in der Immobilienverwaltung, der mir gegen Ende der Tätigkeit verhasst war, und der intensiven Zeit mit meiner Großmutter, die ich fünf Jahre bis zu ihrem Tode gepflegt habe, zwei Fächer zu studieren, die mich interessierten und bis heute faszinieren: Kunstgeschichte und Italianistik. Parallel zu meinem Studium habe ich mich beim Aufbau des „Forum Jacob Pins“ in Höxter engagiert, bei dem ich nebenberuflich als Kuratorin tätig bin. Jacob Pins wurde 1917 als Sohn einer deutsch – jüdischen Familie in Höxter geboren. Es gelang ihm, 1936 nach Palästina zu emigrieren, wo er trotz der schwierigen Lebensumstände und des Handicaps einer Kinderlähmung Kunst studierte. Im Weserbergland aufgewachsen, hat er im grellen Licht Palästinas lange nicht zur Farbe gefunden und so hat er häufig die heimatlichen Landschaften aus der Erinnerung gemalt. Zudem entstanden u.a. wunderschöne Holzschnitte. Er hat seinen künstlerischen Nachlass der Stadt Höxter vermacht und so zeigen wir nun in drei Themenausstellungen im Jahr aus seinem Werk, präsentieren aber auch andere Künstler:innen, die sich mit dem Judentum und zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen. Eine wunderbare Spielwiese für die Kunsthistorikerin in mir!

Die durchaus auch mal die Seele baumeln lassen kann – und das nicht nur in der im ersten Lockdown angeschafften Hängematte, die bei uns sehr malerisch zwischen Apfel- und Pflaumenbaum baumelt! Dank des gemeinsamen Schaffens mit unseren Schüler:innen habe ich meine private Freude am künstlerischen Tun wiederentdeckt und zeichne auch zu Hause häufig. Meinen Wunsch zu rudern erfülle ich mir seit 2020 und genieße es sehr, dass es jedes einzelne Mal komplett anders ist, wenn mensch in das Boot steigt – das Wasser verhält sich unterschiedlich, die Teamzusammensetzung ändert sich immer wieder, das Wetter macht ja bekanntlich, was es will, …alles ganz herrlich unplanbar! In diesen rund eineinhalb Stunden im Boot bin ich komplett aus allem anderen raus. Den nächsten Haken auf meiner inneren Wunschliste möchte ich hinter das Singen in einem Chor setzen – ich freue mich sehr darauf, gemeinsam mit anderen ein Klangvolumen zu erzeugen und damit einen Raum zu verändern.

Es ist ganz wunderbar, nach so einigen Lebensjahren im falschen Beruf, ängstlich und introvertiert, nun hingegen so ganz und gar gerne im Leben zu stehen (und, vor einigen Jahren unvorstellbar: auch gerne auf Bühnen, hinter einem Podium – ich nehme jeden Vortrag mit, den ich kriegen kann! Mein Mann behauptet gar, ich sei zur Rampensau mutiert)! Dabei hat mir definitiv geholfen, bewusst Abstand von Dingen und Menschen zu nehmen, die mir nicht gutgetan haben. Den frei gewordenen Lebensraum füllen nun mein großer Rückhalt, mein Mann, liebe Freund:innen, spannende berufliche Herausforderungen in unserem tollen Team hier im Internat und im Forum Jacob Pins und ja, das große Geschenk, das ich mir selber bereite: nach und nach Haken hinter Dinge auf meiner Wunschliste zu setzen. Ich bin nicht „wunschlos glücklich“. Vielmehr bin ich „wunscherfüllend glücklich“.

im April 2023

Abel Hoehler ( LSH von 1982 – 1985 und 1987 – 1988)

Ich habe nie erwartet, dass andere Menschen, zum Beispiel meine Eltern, stolz auf mich sind. Das ist mir nur bei meinen beiden Kindern wichtig. Ich genieße es sehr, dass das Verhältnis zu Luna und Lino eng ist und sie gerne ihre Freunde zu uns mitbringen. Meines Erachtens erweitert der Kontakt zu den Freundeskreisen der Kinder meine eigenen Dimensionen.

Bei uns ist immer etwas los, ich liebe es, Menschen um mich zu haben! Dies ist sicherlich der für mich Einzelkind ganz besonders wohltuenden Erfahrung geschuldet, am LSH ständig von Freunden umgeben gewesen zu sein. Das „open House-Gefühl“ meiner Internatszeit habe ich stets auf mein Leben übertragen. Es haben oft Freunde für kurz oder lang bei mir mitgewohnt und auch Urlaube verbringen wir sehr gerne gemeinsam mit Freunden. Es gibt doch nichts Schlimmeres als Langeweile! Andere Menschen sind ein verlässliches Mittel dagegen, in einen Alltagstrott zu verfallen; sie bringen neue Ideen in das eigene Leben und sind positiver Antrieb, sich auf etwas Neues einzulassen und dafür auch mal zu überwinden.

Meine Abneigung gegen Stillstand lässt sich auch an meinem beruflichen Lebenslauf ablesen.

Nach meinem Abitur habe ich in ein Trainee-Programm der Deutschen Bank reingeschnuppert. Da ich auf einen Studienplatz in Wirtschaft hätte warten müssen, habe ich es in Berlin mit Jura versucht, das war mehr so…mittel. Letztendlich wurde es dann die Filmhochschule in München, an der ich eine spannende Zeit verbracht habe. Parallel zur Filmhochschule habe ich mit Freunden eine Produktionsfirma gegründet. Zum allerbesten Zeitpunkt, in den 90igern war die Film- und Werbebranche definitiv die, in der man sich bewegen wollte! Es war super spannend, an der Entstehung von Drehbüchern, Werbefilmen und Musikvideos beteiligt sein zu können. Derart spannend, dass ich mich mehr der Arbeit, als der Filmhochschule zugewandt habe – ich habe keinen Abschluss, der war irgendwann einfach nicht mehr wichtig. Der Boom unserer Produktionsfirma lief in den 2000er Jahren aus, woraufhin ich mich auf Immobilien konzentriert habe. Eine Weile bin ich zwischen London und der Schweiz gependelt, um mich dann 2007 ganz für die Schweiz als Hauptwohnsitz zu entscheiden. Insbesondere die Region Graubünden mit ihrer einmaligen Weite ist für mich mit einem wärmenden Heimatgefühl verbunden.

Ein grundsätzliches Heimatgefühl habe ich mir insbesondere in meiner Zeit mit mehreren internationalen Standorten darüber verschafft, dass ich stets versucht habe, mir jeweils Fixpunkte, wie zum Beispiel eine feste Laufstrecke, einzurichten. Dieser kleine Alltags-Autismus hat mir einen Wohlfühl-Rahmen geschaffen, egal, wo auf der Welt ich gearbeitet habe. Da es nicht bei Immobilien geblieben ist, sondern vielmehr noch ein Portfolio im Solar- und Windbereich hinzukam, habe ich mich unter anderem auch regelmäßig in den USA und Asien aufgehalten. In diesem Bereich bin ich derzeit nunmehr schwerpunktmäßig beratend tätig. Letztendlich gilt: Unternehmertum bleibt Unternehmertum. Du entwickelst etwas, stellst Dich auf unterschiedlichste Menschen ein, steckst in Genehmigungs – und Finanzierungsprozessen. Da ist es letztendlich egal, ob es sich um Immobilien oder ein Drehbuch handelt. Man wird gelassener und lernt, seinem Instinkt zu vertrauen.

In all dem ist es mir sehr wichtig, Zeit mit meiner Familie und Freunden zu verbringen. Unser gemeinsames Abendessen, das häufig und gerne ich zubereite (es gibt wenig Entspannenderes!), der Austausch über unsere Alltage bei tatsächlichem Augenkontakt ist mir ein Bedürfnis. Auch pflege ich Freundschaften wirklich aktiv und bewusst, es mir eine Herzensangelegenheit, mir wichtige Menschen regelmäßig persönlich zu sehen. Auch wenn es natürlich heutzutage sehr viel leichter ist, am Leben anderer teilzunehmen, als es das zur Zeit des guten alten Wähltelefones war.

Darüber hinaus ist mir der Kontakt zum „Kosmos LSH“ wichtig. Das Gefühl des wohligen Nachhausekommens, insbesondere nach der zweijährigen „LSH-Pause“ an einem Sport-Internat ist mir sehr präsent. Zudem war auch meine Tochter Luna auf dem Internat Solling. Sie berichtete mir mit einem „da war eine Frau Volger am Telefon, ich glaube, die hat Dich mal unterrichtet. Da habe ich lieber nicht gleich Deinen Namen genannt“ davon, einen Vorstellungstermin in Holzminden vereinbart zu haben. Nachdem Hasi (Hartmut Singer, mein damaliger Mathe-Lehrer) mir in der sehr vergnüglichen Situation, ihm im Elterngespräch gegenüber zu sitzen, mitteilte: „Du warst viel dümmer als Deine Tochter!“, ist dies vielleicht die richtige Stelle, all den großartigen Pädagogen zu danken, die mich geprägt habe. Danke!

Hin und wieder träume ich, dass ich wieder Schüler am LSH bin. Wohnhaft im kleinsten Zimmer der Welt, im Mittelhaus, ganz oben. Vielleicht ist dies Zimmerchen der Grund, warum ich nun immer darauf achte, dass meine Wohnräume hoch liegen und ich somit freien Blick habe. „Weitblick“ ist etwas, dass sich durch viele Ebenen meines glücklichen und zufriedenen Lebens zieht. Wahrscheinlich, weil ich so sehr gerne genau da bin, wo ich gerade im Leben stehe. Derart verwurzelt lässt es sich gut in die Ferne blicken.

im Februar 2023

Dr. Phil. Walter Esten (LSH 1965 – 1972)

Meine zwei ganz großen Träume habe ich verwirklicht.

Der eine war, mit einem Segelschiff den Atlantik zu überqueren. Das habe ich 2018/2019 getan. Den anderen, in einem Wohnmobil zu leben und zu reisen, lebe ich seit mittlerweile zwei Jahren permanent. Mir behagt das materiell reduzierte Leben an frei gewählten Orten sehr.

Das mag ein Stück weit daran liegen, dass ich mich damit schwertue, einen Ort als „Heimat“ oder „Zuhause“ zu definieren. Aufgewachsen bin ich in Peru, bis meine Eltern nach 26 Jahren in Südamerika beschlossen, wieder in Europa leben zu wollen. Da ihre Heimat Österreich ihnen zu kleingeistig war und meine Mutter gerne am Meer leben wollte, fuhr mein Vater von Barcelona aus die spanische Küste ab, bis er mit Torremolinos einen Ort fand, den er sich als Zuhause für uns vorstellen konnte. So bestiegen wir ein Kreuzfahrtschiff, das uns von Lima über den Panama Kanal nach Barcelona brachte. Im Anschluss fuhren wir im Eiltempo mit unserem Volvo nach Graz zur Promotionsfeier meines älteren Bruders. Dann ging es nach Deutschland, wo mich meine Eltern schweren Herzens im LSH ablieferten. Bekannte hatten ihnen erzählt, dass es sich um eine sehr gute Schule handle. Zudem bot das Landschulheim Spanisch als Hauptfach an, was für mich, der nicht der allerfleißigste Schüler war, die Chance auf zumindest eine gute Note auf dem Zeugnis bot. Somit wurde ich mit 13 ½ LSHler und erlitt in den ersten Monaten durchaus einen kleinen Kulturschock. Mal von dem völlig anderen Klima und der Schuluniform ganz abgesehen, war es schwierig für mich, dass die Deutschen einander so wenig berührten. In meinem bisherigen Freundeskreis hingegen war es gang und gäbe. Das abzulegen habe ich schnell gelernt! Zurückblickend war meine Zeit am Internat sehr bereichernd für mich und ich habe nach wie vor eine enge emotionale Bindung an Freunde aus dieser Zeit und letztendlich den Ort an sich. Da ich in Spanien keine Freunde hatte und die Ferien auch immer zu kurz waren, um wirkliche Bindungen zu schaffen, wurde das Internat zunehmend zu meinem wirklichen Zuhause und ich fieberte dem Ferienende (und somit der Rückkehr nach Holzminden) immer entgegen. Wir Schüler erlebten den gesellschaftlichen und politischen Gärungsprozess der damaligen Zeit hautnah und nutzten die Nähe zu Göttingen, um dort mit den Studenten zu diskutieren; uns politisch fortzubilden und gegen den Vietnam-Krieg zu demonstrieren. Obwohl wir eher hippiemäßig und antiautoritär unterwegs waren, war das Ablegen der Magisterreife erstrebenswert für uns – sogar das Tragen des Magisteranzuges!

Im Anschluss an mein Abitur am LSH wollte ich eigentlich in Deutschland studieren. Da ich aber das Internat aufgrund einer Ehrenrunde ein Jahr länger genossen hatte als ursprünglich geplant, meinten meine Eltern, ich möge als Österreicher und auch aus Kostengründen in Salzburg studieren, denn dort könnte ich bei meiner Großmutter leben. Es hat aber nicht allzu lange gedauert, bis ich das Zimmer im Juchee (Österreichisch für Dachkammer) bei meiner Großmutter gegen eine der ersten WGs in Salzburg mit gleichgesinnten Kommiliton:innen eingetauscht habe! Entsprechend meinen breit gefächerten Interessen habe ich Sozialpädagogik, Politikwissenschaft, Psychologie und Germanistik studiert. Ich war bereits in meiner Schulzeit immer politisch engagiert und habe das Verlangen, mich für Schwächere und gegen Ungerechtigkeiten anzugehen, nie abgelegt. Nach der Promotion habe ich meinen Zivildienst in der Haftentlassenen-Hilfe absolviert und dort live erlebt, wie schwer es für diese Menschen ist, sich wieder in der Gesellschaft zurecht zu finden. Im Anschluss an mein Studium habe ich in einem Heim für „marginalisierte Mädchen“ als Sozialpädagoge gearbeitet. Nach einer einjährigen Reise durch Nord -, Mittel- und Süd – Amerika wurde mir klar, dass ich über meine Arbeit im Lateinamerika – Komitee in Salzburg hinaus vor Ort tätig werden möchte. So packte ich erneut meine Koffer und flog nach Nicaragua. Aus den geplanten drei Monaten wurde rasch ein Jahr, da ich aufgrund meiner Sprachkenntnisse als Koordinator für österreichische Arbeitsbrigaden in einer Kaffeegenossenschaft im Norden Nicaraguas engagiert wurde. Es hat mir dort wahnsinnig gut gefallen, da ich alle meine politischen Träume, über die wir zuvor nur theoretisiert hatten, zumindest teilweise verwirklichen und an der Realität messen konnte. Anschließend habe ich in Nicaragua für die American-Nicaraguan-Foundation (AFN) als Dolmetscher gearbeitet. Im Anschluss daran war ich einige Jahre in der Informationsstruktur der guatemaltekischen Freiheitsbewegung tätig. Daraufhin war ich im administrativen Bereich des Büros für Entwicklungszusammenarbeit des österreichischen Außenministeriums vor Ort tätig. Jawohl! Mit kurzen Haaren, aber ohne Krawatte – für Personen, die lediglich mein jetziges Erscheinungsbild kennen, vermutlich schwer vorstellbar. Nach den Wahlen 1995 gab es starke Umbrüche, sämtlich Förderungen wurden auf Eis gelegt. Dieser politisch – wirtschaftliche Einschnitt traf auch mich, da ich zu diesem Zeitpunkt gerade selbstständig in der Koordination und Logistik von deutsch-nicaraguanischen Städtepartnerschaften arbeitete. Mein Vater bot mir an, nach Spanien zu kommen und ihn in seinem Unternehmen zu unterstützen. Da ich in Nicaragua keinerlei Perspektiven mehr für mich sah, nahm ich sein Angebot gerne an und war für fünf Jahre in der Buchhaltung unseres Betriebes tätig. Dann hat mein Vater die Firma verkauft und im Zuge der darauffolgenden Umstrukturierungen gab es dort keinen Platz mehr für mich. Da ich Golfer war, habe ich mich mittels eines postgrade Studiums im Wirtschaftsbereich und in Golf weitergebildet und in der Leitung eines kleineren Golf-Clubs in Marbella gearbeitet. Danach habe ich einige Jahre die gemeinsame Finka meiner Ex-Frau und mir verwaltet, bis wir uns gemeinsam mit einem Kompagnon mit einer Getränke-Firma selbstständig gemacht haben, in der ich bis zu meiner Pensionierung tätig war.

Diese vielen Stationen erklären sicherlich, warum es mir leichtgefallen ist, meine Habe auf Wohnmobilgröße einzuschrumpfen und auch, warum es mir liegt, nunmehr ein fahrbares Zuhause zu haben.

In all diesen Jahren habe ich weder im Deutschen meinen österreichischen, noch im Spanischen meinen südamerikanischen Slang abgelegt. Beide sind unlöschbare Teile meiner bewegten Biographie. Im Laufe derer ich gelernt habe, meinen brodelnden Jähzorn zu bändigen und mit mir selber im Einklang zu leben. Dies ist mir ganz sicherlich deswegen gelungen, da ich sowohl politisch als auch gesellschaftlich durch meinen Einsatz einiges bewegen und manchen Menschen einen leichteren Lebensweg bescheren konnte. Sei es, indem ich mein Sandkorn dazu beigetragen habe, ihr gesellschaftliches Umfeld mitzugestalten oder ihnen persönlich dabei geholfen zu haben, ihre komplizierten Lebenssituationen in den Griff zu bekommen und umzugestalten.
Da kann ich doch nun wirklich zufrieden meine Rentnerstirn in die Sonne strecken, mit Freuden Europas Vielfalt erkunden und jährlich an den Ort zurückkehren, der das Zuhause meiner Jugend war und es mir ein Stück weit noch immer ist – das LSH. Das alljährliche Altschültertreffen ist spätestens seit dem 20jährigen Abitreffen 1992 ein wichtiger Termin für mich geworden und ich versuche, so oft als möglich daran teilzunehmen. Entsprechend plane ich meine Routen dahingehend. Für eine Unterkunft muss ich ja nicht sorgen!

im Januar 2023

Dr. Peter Fliegel (LSH 1936 – 1943 )

Man muss die Mentalität seiner unmittelbaren Umgebung verstehen, dann kann der Mensch sich gut mit dem arrangieren, was ihn umgibt. Meine Fähigkeit, mich meinem Umfeld anzupassen und trotzdem meinen eigenen Weg zu beschreiten, habe ich sicherlich in meiner Zeit als Schüler am Internat Solling (welches zu meiner Zeit noch „Landschulheim am Solling“ hieß) entwickelt. Blicke ich auf meine nunmehr 97 Lebensjahre zurück, so darf ich sagen, dass ich ein gutes, erfülltes Leben hatte – abzüglich der Kriegs- und Nachkriegszeit. Mir ist es im Laufe meines Lebens immer gelungen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Mein Eintritt ins Internat Solling hatte familiäre Gründe: Mitgründer Gerhard Zimmermann war mein Onkel. Dank dieser Verbindung erhielten meine Eltern eine Ermäßigung des Schulgeldes, was ihnen ermöglichte, mir die gute Schulbildung am Internat zukommen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen, dass kriegsbedingt großer Lehrermangel herrschen würde! Ich erinnere noch gut, wie entsetzt Dr. Weller und Harry Freitag waren, als sie unserer Wissenslücken gewahr wurden. So wurde zum Beispiel unser hervorragender Musiklehrer, Herr Brand, eingezogen und durch „Musikstunden“ mit von Braunschweig geschickten Lehrern ersetzt, die uns lediglich Nazilieder beibrachten. Parallel zu meiner Adoleszenz griff der Krieg auch über den Unterricht hinaus zunehmend in mein Leben ein – wir mussten zur Hitlerjugend und in den Ferien zum Arbeitsdienst bzw. in Wehrertüchtigungslager. In diesem Zusammenhang bin ich auch zum ersten Mal in meinem Leben auf die auf Klassenunterschiede zurückzuführenden sozialen Spannungen gestoßen. Wir LSHler wurden auf die umliegenden Ortschaften aufgeteilt und so traf ich in Altendorf auf Arbeiter, die uns Schüler des Internates als „die Reichen“ verachteten. Diese Konfrontation mit völlig anderen Lebensrealitäten hat mir zugesetzt – zumal in ich in dem Alter war, in dem Jugendliche verstärkt ihre Außenwelt wahrnehmen. Darüber hinaus fielen die Dinge, die in der Internatsgemeinschaft zuvor prägend waren, weg – für uns gab es kein Theaterspielen, keine Wanderungen mehr; dafür aber, wie eingangs bereits erwähnt, viele Lehrerwechsel und Unterrichtsausfälle.

Nichtsdestotrotz war und ist mir das Internat Solling ein wichtiger Ort. Nachdem ich 1943 eingezogen wurde (zusammen mit den beiden Mitschülern Fritz Dölling und Ernst Grohmann, die ich leider in Holland aus den Augen verloren habe), habe ich im Anschluss an die Nachkriegswirren an der Fachhochschule Weihenstephan eine Ausbildung im Bereich Gartenbau gemacht. Danach war ich 1956 zunächst als Austauschschüler in der Wenatchee-Experiment-Station an der Universität Washington. Es folgten Reisejahre durch die USA und die Dominikanische Republik. Während all dieser Jahre war mir meine Tante Lenka (die zweite Ehefrau meines Onkels Gerhard Zimmermann), die am LSH lebte, immer ein Anker. Bei ihr konnte ich unterkommen, wenn ich auf die Einreisegenehmigung zu meinen im Osten lebenden Eltern warten musste. So habe ich über einige Jahre immer wieder Zeit in direkter LSH-Nähe verbracht und insbesondere die Kontakte zu Harry Freitag und Dr.Triloff aufrechterhalten.

Da ich in Deutschland nicht so recht Fuß fassen konnte, bin ich 1959 in die USA ausgewandert. Bis zum Vietnamkrieg, der das Land meiner Meinung nach unheilbar entzweit hat, waren die Vereinigten Staaten ein wunderbares Land voller Freiheiten; ein jeder konnte dort seinen Lebenstraum verwirklichen. Dank einer Anstellung als „Research Assistent“ an der Cornell University in Ithaca, New York, habe ich dort zunächst meinen Master in Nematologie (Schädlingsbekämpfung) gemacht und die dafür notwenigen zwei Jahre auf meine amerikanische Staatsbürgerschaft gewartet. Da ich während einer anschließenden Anstellung als Nemotologist beim US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium in Georgia feststellte, dass alle meine Kollegen promoviert und somit bessere Gehälter hatten, habe ich mich erneut in Hörsäle begeben. Diese Zeit (1967) an der Rutgers State University of New Jersey barg zwei zusätzliche Vorteile – mein Bruder Wolfram und seine Familie, die seit 1949 dank der Moravia Church auch in den Staaten (Princeton) lebten, waren in unmittelbarer Nähe. Zudem konnte ich im nahen New York meinen kulturellen Hunger, insbesondere den auf Opern, stillen. Allerdings hat die Metropolitan Opera in jenem Jahr gestreikt, das habe ich ihr nie so ganz verziehen! Auch meine Liebe zur klassischen Musik ist sicherlich dem Landschulheim geschuldet. Eine meiner schönsten Erinnerungen ist die, wie Fritz Winkel in der Hohen Halle der Schulgemeinschaft die Winterreise von Franz Schubert darbrachte. Ich habe über viele Jahre hinweg meine Reisen nach Europa nach dem Spielplan der Wiener Oper und des Burgtheaters ausgerichtet. Häufig war ich dann auch in Holzminden, wo ich bei Tante Lenka oder Muhme (die Witwe Theophil Lehmanns), einmal sogar in einem freien Schülerzimmer im Oberhaus, unterkam. Als unsere Eltern verstarben, wurde der Besuch ihrer Gräber auf dem Friedhof des Internats ein wichtiges gemeinsames Ritual mit meinen Schwestern.

Auch beruflich war ich viel auf Reisen und habe u.a. im Anschluss an meine Dissertation von 1970 – 1973 in Honduras gelebt, wo es meine Aufgabe war, Bananen glücklich zu machen, da ich mich mit Schädlingsbekämpfung beschäftigt habe. Ab 1973 bis zu meiner Pensionierung im Jahre 1990 habe ich im Raum Los Angeles in den sehr spannenden Bereichen Schädlingsbekämpfung und lokale Pflanzenkrankheiten geforscht und gearbeitet. Auf meinen privaten Reisen habe ich stets versucht, Gegenden aufzusuchen, in denen kein Englisch gesprochen wird. Dadurch kam ich häufig enger mit den dort lebenden Menschen in Kontakt und konnte somit unmittelbar von ihrem Leben und ihren sozialen Verhältnissen erfahren.
Mittlerweile bin ich leider aufgrund zunehmender Schwierigkeiten mit meinem Rückgrat auf einen Rollstuhl angewiesen und kann nicht mehr reisen. Aus diesem Grunde bin ich auch nach Minnesota in die Nähe meines Bruders und seiner Familie gezogen, wo ich seit 2015 in einem Altenheim wohne. Zu meinem Leidwesen finde ich hier im Heim keinen sozialen Anschluss, da sich meine Mitbewohner lediglich für Autos, Bingo und Sport interessieren. Umso größer ist meine Freude darüber, dass die Bindung zu der Familie meines (leider vor zwei Jahren verstorbenen) Bruder sehr eng ist. Insbesondere mein Neffe Paul kümmert sich rührend um mich – er war es auch, der den Kontakt zum Internat Solling aufgenommen hat. Schon verrückt, was mittlerweile mit der modernen Technik alles möglich ist! Ehrlich gesagt wäre ich, der noch mithilfe einer Rechenmaschine mitsamt Papierrolle Statistiken erstellt hat, wohl heutzutage in einem Labor verloren! Wenn ich sehe, was mein Neffe schon allein mit seinem Handy alles machen kann, so muss ich manchmal an Ohm (der Spitzname von Theophil Lehmann) denken, der schon damals Angst vor dem technischen Fortschritt hatte. Dabei gab es die ganzen krassen Sachen der heutigen Zeit noch gar nicht! Bei den vielen Vorteilen, die die schnelle Kommunikation heutzutage bietet, sehe ich auch die Gefahr, dass viele Informationen allzu schnell und ungefiltert auf die Menschen einströmen. Das beste Beispiel dafür ist meines Erachtens die Plattform „Twitter“. Ich kann den neuen Generationen nur wünschen, dass sie es nicht verlernen, sich über fundiertes Lernen und Forschen eine eigene Meinung zu bilden.

Nach wie vor verfolge ich das aktuelle politische Weltgeschehen mit großem Interesse. Dabei habe ich mir immer den Blickwinkel eines Deutschen bewahrt. Dies gilt ein Stück weit auch für kulinarische Vorlieben – wenn ich von fester Nahrung träume (ich bin seit einiger Zeit auf flüssige Nahrung angewiesen), so erinnere ich stets den Geschmack von Thüringer Klößen und Thüringer Bratwurst.

im Januar 2023

Volker von Schintling-Horny

Nach Jahren in der freien Wirtschaft lebe ich nun, im Alter von 84 Jahren, ein Leben, das sich völlig dem Einklang mit der Natur widmet. Im Laufe der rund 25 Jahre, seit denen ich nun Imker bin, hat mich zunehmend die Urkraft der Natur durchdrungen und so lebe ich seither mit Gott an meiner Seite. Jeder Tag beginnt mit einer ihm gewidmeten Meditation und am Abend eines jeden Tages danke ich ihm für Erlebtes. Im Wissen darum, dass er seine schützende Hand über mich hält, vermisse ich den Glauben und das Vertrauen darin im Austausch mit anderen.

Mein jetziges Leben hätten sich die damaligen Lehrkräfte am Internat Solling garantiert nie vorstellen können! Von uns sieben Geschwistern waren alle bis auf eine meiner Schwestern auf dem Internat Solling. Wir waren freiheitsliebende, eher wilde Schüler:innen mit einer gehörigen Portion Unsinn in den Köpfen – meine Person so sehr, dass ich das Landschulheim verlassen musste. Der berühmte Tropfen, der das Fass in meinem Falle zum Überlaufen brachte, war ein platter Reifen an meinem Fahrrad. Der wäre an sich natürlich kein großes Thema gewesen, hätte ich ihn nicht gehabt, nachdem ich mit zwei Freunden um vier Uhr morgens ausgestiegen war, um im Solling auf die Pirsch zu gehen… Der platte Fahrradreifen verhinderte die geplante pünktliche Rückkehr zum Frühstück und ich musste geständig werden. Daraufhin tönte der damals noch ganz neue Schulleiter Dr. Erbe „Der ist hier fehl am Platze“, und ich musste daraufhin das Landschulheim verlassen.

Somit wurde ich Waldorfschüler in Benefeld, wo ich einen Jagdschein machen und reiten konnte. Da mein Vater schwer erkrankte, drängte er darauf, dass ich die Schule verließ und einen Beruf erlernte, mit dessen Wissen ich später den familiären landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen sollte. Seinem Wunsch entsprechend verließ ich die Schule nach der 10. Klasse und absolvierte eine dreijährige Lehre zum Landmaschinenschlosser bei der Hauptgenossenschaft in Hannover. Derweil war mein Bruder mit seiner Familie aus Chile zurückgekehrt und hatte den Hof übernommen, sodass es mir möglich war, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich habe auf dem zweiten Bildungsweg Landmaschinen-Bau studiert und meinen Diplomingenieur gemacht. Nach langen Jahren in der Industrie habe ich mich erfolgreich mit einem Kalibrier-Dienst selbstständig gemacht. Dank eines großen Auftrages des TÜVs lief das Unternehmen gut. Doch habe ich mit 75 Jahren gemerkt, dass mein beruflicher Elan kaum mehr vorhanden war und so habe ich den Betrieb an einen Kunden übergeben.

Nun widme ich mich voll und ganz dem Lebensfluss mit meinen treuen Tieren. Sowohl meine Pferde, wie auch meine liebe Hündin Ranka entstammen eigener Zucht und wir haben auf meinem kleinen Hof einen gemeinsamen Lebensrhythmus gefunden. Auch meine Bienenvölker verlangen viel Aufmerksamkeit. Diese nehmen einen ganz besonderen Platz in meinem Leben ein, da ich von einem lieben Freund gelernt habe, die Völker im Siebenstern aufzustellen, um ihre Energien besser bündeln und an die Natur zurückgeben zu können. Dieses mir von ihm vermittelte Wissen habe ich mittlerweile in meinem eigenen Verlag (der LSH-Verlag heißt), veröffentlicht. LSH-Verlag ist aus meinen Namens-Initialen (mein zweiter Vorname ist Lüdeke, also Volker Lüdeke von Schintling-Horny) erschaffen und stellt zudem eine heiße innere Verbindung zum Internat dar. Diesbezüglich berate ich auch gerne weltweit andere Imker. Darüber hinaus beschäftige ich mich mit den Energien aus Steinkreisen (es müssen mindestens fünf Steine sein!) und lege diese gerne für Menschen, die es schätzen können. Die „Neue Schule und ER den Schüler zum ER unserem Schöpfer hinziehen“ ist ein weiteres Steckenpferd, das auch im LSH-Verlag erschienen ist. So füllt sich mein Rentnerleben.

Nahe an der Selbstversorgung und ressourcenschonend, energien-leitend und voller Dankbarkeit dafür, wie gut es das Leben mit mir meint. Zu Freunden aus der Internatszeit ist der Kontakt geblieben und auch wenn ich keine Angst vor dem Tode habe, der meines Erachtens nur ein Wechseln der Hülle darstellt, so habe ich noch zu viel vor, um die jetzige ablegen zu wollen. Es gilt noch Freundschaften zu pflegen, die Leben meiner mittlerweile erwachsenen vier Kinder zu begleiten, Russisch zu lernen, mit Ranka oder zu Pferde die Natur zu genießen, Salat zu ernten, Honig zu schleudern, Steine zu bewegen und Gottes Lehre zu mehren.

im Oktober 2022

Katja Kersting, geborene Mortzfeld ( LSH 1982 – 1989)

Ich war schon immer in der Lage, nachzudenken und einen Lösungsweg zu finden. Was ich wiederum so gar nicht kann ist: Dann abzuwarten „bis sich der richtige Zeitpunkt ergibt“. Ich möchte schon sehr gerne, dass sich alles zeitnah gemäß meines Planes erfüllt. Ganz im Gegensatz dazu kann ich bekennende Listen-Verfasserin gelassen „to do-Punkte“ auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. Hauptsache, sie sind schriftlich niedergelegt und somit aus meinem Kopf. Das Verschriftlichen von Fakten liegt mir im Blut. Ich habe das große Glück gehabt, schon früh zu wissen, dass ich Journalistin werden möchte und mich ab Ende der Oberstufe zielsicher in diese Richtung bewegt.

Ähnlich dem „Doppelten Lottchen“ aus der Feder des Herrn Erich Kästner sind meine Schwester und ich (seit meinem 10. Lebensjahr) voneinander getrennt bei unseren getrennten Elternteilen aufgewachsen. Da hören die Gemeinsamkeiten zu dem Buch aber auch schon auf – wir haben an unterschiedlichen Tagen Geburtstag und standen immer in gutem Kontakt zu- und untereinander.

Da meine Schulnoten sich nicht eben zum allerbesten entwickelten, schlug mein Vater mir einen Internatsbesuch vor. Die Entscheidung für das Internat Solling war nicht nur eine räumliche (wir lebten in Wolfenbüttel), sondern lag auch herzensnah, da er einige Jahre am Internat unterrichtet und ich somit schon viel Gutes gehört hatte. So wurde ich Landschulheimerin und das LSH zu meinem Anker. Da wir zuvor häufig umgezogen waren, war das Internat der erste Ort, an dem ich sieben Jahre am Stück gelebt habe. Mittlerweile lebe ich der Liebe wegen seit ca. 10 Jahren in Hamburg. Mit gleich drei Lebensgefährten: Oliver, den ich aus meiner LSH-Zeit kenne, unserem gemeinsamen Hund Toni und Hashimoto, von dem ich seit meiner Studienzeit weiß. Erstgenannte liebe ich, zweitgenannte habe ich zu akzeptieren gelernt. Mein Weg zur Akzeptanz war davon geprägt, die Krankheit selber in die Hand zu nehmen, indem ich mich umfassend informiert und rausgefunden habe, was mir guttut und hilft. Informationen einholen kann ich als Journalistin! Bei Hashimoto handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit, die eine chronische Entzündung der Schilddrüse hervorruft. In der Schilddrüse wiederum werden lebenswichtige Schilddrüsenhormone, die Stoffwechsel, Kreislauf, Wachstum und Psyche beeinflussen, produziert – oder eben nicht, ist diese entzündet. Dank eines nicht nur fachlich kompetenten, sondern auch zwischenmenschlich großartigen Arztes bin ich nicht nur in guten Händen, sondern vielmehr auch mit dem mir durch die Krankheit gesteckten Rahmen (bewusste Ernährung, ausreichend Schlaf, Stressreduktion, Sport…) im Reinen.
Wahrscheinlich ist die Krankheit ein Überbleibsel vom Pfeifferschen Drüsenfieber, das ich mir von einem von einer befreundeten LSHlerin vermittelten Au-Pair-Aufenthalt in Brüssel mitgebracht habe. Zuvor habe ich als Praktikantin bei der Braunschweiger Zeitung gearbeitet und hatte das kolossale Glück, nicht nur redaktionell dort arbeiten zu dürfen, sondern dies auch noch in der aufregenden Zeit der Grenzöffnung. Wir hatten alle Freiheiten und konnten in dieser so besonderen Aufbruchsstimmung aus dem Vollem schöpfen! Nach dem Zwischenspiel in Brüssel und meiner vollständigen Genesung vom Pfeifferschen Drüsenfieber habe ich mich in Braunschweig eingeschrieben und es genossen, an einer kleinen Uni mit vielen netten Leuten zu studieren. Nach diversen Praktika mit Ausflügen in die Welt von Radio, Fernsehen und Pressestelle habe ich nach dem Magister-Abschluss mein Volontariat bei der Zeitung gemacht und 2000 fest dort angefangen, nachdem ich während des Studiums immer in Kontakt geblieben war und dort gejobbt habe. Mein Herz hing also weiter am geschriebenen Wort.
2008 hat dann mein Körper die Notbremse gezogen. Unzählige Überstunden mit hohem Cortisonspiegel ob der tagesaktuellen Berichterstattung forderten ihren Tribut. Mein Arzt machte die Ansage, dass Eiseninfusionen und Vitamin-B12-Spritzen zwar kurzfristig helfen, aber nichts ändern würden. Das müsse ich schon selber.
Tja. Da saß ich nun im Spagat zwischen dem, was ich liebte und wollte, und dem, was ich tatsächlichen zu leisten vermochte. Es folgte eine Zeit des Denkens und Sortierens. Loslassen ist eine echt anstrengende Aufgabe, bei der mein Perfektionismus nicht nur hilfreich war. Wie es so ist im Leben: Fängt man an, an einem Ende eines Knotens zu ziehen, so entrollt sich vieles, und das Ende ist nur bedingt ersichtlich. Letzten Endes ging ich geschieden und auch von meinem anerkannten, gut bezahlten Job mit Karriereaussichten getrennt aus dieser Zeit hervor.

Schulfreund Oliver hat mir beratend zur Seite gestanden und aus Freundschaft wurde Liebe. In Hamburg sagte meine ehemalige LSH-Zimmerkameradin Anna Reinecke: „Du, wir brauchen bei Eikon Nord jemanden für das Backoffice, der auch mal recherchieren kann“, und so wurde aus einer Urlaubsvertretung eine Tätigkeit, die mir große Freude bereitet und in der Kombination aus Recherche und Organisation wie für mich gemacht ist. Unser 6 Menschen umfassendes tolles Team kann mit Fug und Recht von sich behaupten, echt gutes Fernsehen zu produzieren. Darüber hinaus kann ich zu Zeiten arbeiten, die den Bedürfnissen von Hashimoto angepasst sind.

Ich bin in allen Lebensbereichen am richtigen Platz. Dass ich mal dermaßen rundum glücklich sein würde, hätte mir vor 11-12 Jahren keiner erzählen können. Ebenso wenig, dass das LSH beständig der rote Faden vieler glücklicher Fügungen sein würde. Und dafür bin ich wirklich sehr dankbar.

im Oktober 2022


Silke Deburba


Ich habe zwei Muttersprachen – Deutsch und Organisieren.

Organisieren ist tatsächlich ein Reflex von mir, den ich kaum zu unterdrücken vermag.
Darum lacht mein Mann auch nur noch, wenn ich wieder mit einem weiteren Amt nach Hause komme. Da es mir leichtfällt, Struktur und Plan in Dinge zu bringen, sage ich diesbezüglich schnell „ja“. Das liegt aber auch daran, dass ich gerne mittendrin bin und mitmische. Dies zu lesen mag so manchen Menschen, der mich zu meinen Internatszeiten erlebt hat, überraschen – ich war eine eher schüchterne Mitschülerin, die Dinge und Menschen auf sich zukommen ließ. Ganz im Gegensatz zu meiner jüngeren Schwester Nicky, die immer in der Peer-Group war. Dies zieht sich nicht wenig durch unser gemeinsames Leben – Nicky war vor mir am Internat, sie war vor mir an unserem gemeinsamen Interimswohnort Paris und sie wurde 6 Monate vor mir zum ersten Male Mutter. All diese „vor mirs“ haben unserer engen Bindung nie Abbruch getan.


Die fünf Monate in Paris waren für mich in vielerlei Hinsicht ein Freiheitsschlag. Zum einen hat es das Ende eines eher semi-optimal verlaufenen BWL – Studiums, das krankheitsbedingt mit dem Verpassen des ersten Semesters begonnen und dadurch, dass ich mit dem Kopf noch im LSH und mindestens jedes 2. Wochenende dort war, auch nicht großartige soziale Anbindung bedeutet hat, markiert. Zum anderen war es für mich auch hinsichtlich meiner Zurückhaltung anderen Menschen gegenüber ein Neuanfang. Ich bin dort, wo ich auf neue Menschen aller Nationalitäten traf, aufgelebt und aus mir herausgekommen. Da ich es meinen Eltern aber nicht zumuten wollte, an einem derart kostspieligen Ort zu studieren, bin ich nach Hamburg gezogen und habe an der „KAH“ (Kommunikations Akademie Hamburg) meinen Abschluss als Kommunikationswirtin gemacht. Damals war der Begriff „Event“ noch etwas diffus und so konnte ich zu einem Zeitpunkt Fuß in diesem Bereich fassen, zu dem noch alles ganz neu war. Die Kombination aus Organisieren und meinem, bestimmt der Zeit am Internat entstammenden, grundsätzlich unvoreingenommenen Interesse an anderen Menschen war wie für mich gemacht. Eine spannende Zeit, die mich geprägt und definitiv mein Selbstbewusstsein hat wachsen lassen! Nach einigen Jahren in einer Agentur habe ich mich mit der Illusion, dass eine Selbstständigkeit sich besser mit einem Familienleben vereinbaren ließe, selbstständig gemacht. Selbstverständlich war es keine komplette Illusion, aber durchaus ein kräftezehrender Spagat. Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, wie ich das alles unter einen Hut bekommen habe! Als unsere Tochter 2018 sehr krank war, ich aber in einem großen Projekt steckte, aus dem ich mich auch nicht herausziehen konnte und fast verrückt geworden bin vor Sorge um mein Kind, war das der Auslöser dafür, kürzer zu treten und nunmehr überschaubare Projekte anzunehmen. Meine Kinder, meine Familie ist sowieso mein größter Schatz. Ich liebe unser Familienleben und bin zutiefst glücklich und dankbar für dieses großartige Leben!

Seit drei Jahren liegt mein beruflicher Schwerpunkt inzwischen auf der Entwicklung und Vermarktung unserer Ferienhäuser an der Ostsee und meine Eventmanagement Tätigkeit ist nach 25 Jahren abgemeldet. Ein ganz großer Vorteil der Ferienhäuser ist, dass ich damit meine Leidenschaft für das Gestalten von Wohnraum ausleben kann! Zudem ist unser Sohn studierender Weise aus dem Haus und unsere Tochter in der Oberstufe, wodurch viele Ämter an den Schulen der beiden entfallen – das dadurch frei gewordene Zeitfenster stelle ich sehr gerne dem LSH zur Verfügung, indem ich nun im Beirat tätig bin. Durchaus mit dem Gefühl, dadurch dieser Gemeinschaft, die wie eine Zweitfamilie für mich ist, etwas zurück geben zu wollen.


Arbeite ich nicht, so bin ich beim Sport (naja, nicht so viel, wie sich das hier anhört) oder mit dem Hund unterwegs oder oder… Nicht allein der Gesundheit wegen, sondern schlichtweg, weil ich es so sehr mag, in Bewegung zu sein. Wer sonst kann von sich behaupten, dass sein „stiller Ort“ einer ist, in den man laut platschend eintaucht?! An wenig Orten fühle ich mich so quicklebendig und leicht wie im Wasser, es ist einfach mein Element. Wohl kaum überraschend für eine Frau, die gerne Dinge in fließende Abläufe bringt. Obgleich ich durchaus innehalten und genießen kann – ganz besonders laue Sommerabende im Freien, die dürften meines Erachtens nie enden.

im September 2022

Roberta

Meine Zielstrebigkeit ist von einer (Grund-)Einstellung zu einer Eigenschaft geworden. Sie ist einfach da, ich muss mir keinerlei Mühe geben, um so zu sein. Vielmehr arbeite ich daran, mir weniger Leistungsdruck zu machen. Der ist intrinsisch und war von Beginn der 1. Klasse in mir, ohne das mir jemals jemand Druck gemacht hätte. Ganz im Gegenteil: Meine Eltern sagen häufig „jede Note muss mal geschrieben werden“ zu uns drei Kindern.


So perfektionistisch und vielleicht in manchen Bereichen fast schon zwanghaft ich im Schulischen bin, so spontan bin ich in meiner Freizeit! Das Abgeben von Kontrolle kann etwas ganz wunderbar Befreiendes sein.
Das spüre ich insbesondere bei einer meiner sportlichen Hauptleidenschaften, dem Tanzen. Es ist ein ganz besonders erfüllender Moment, wenn mein Körper die Choreographie verinnerlicht hat und ich mich ganz und gar in die Musik geben kann. Ich war bis zu meinem Umzug an das Internat Solling sehr aktiv im Tanzen, da ich dank einer Rolle in dem Musical „Das Wunder von Bern“ in das Young Talent Programm der Stage School Hamburg aufgenommen wurde. Natürlich fehlt mir diese Bewegungsart hier nun sehr, ich weiß aber, dass ich innerhalb weniger Wochen Trainings wieder an bereits erlerntes anknüpfen könnte. Stattdessen bin ich hier viel und gerne im Fitnessraum, mache Yoga und trainiere mit meinem Körpergewicht. Tatsächlich mag ich Muskelkater, da dieser mir aufzeigt, dass ich etwas getan habe. Ebenso sehr mag ich es, „to do Klebezettel“ wegzuschmeißen oder Punkte von zu erledigenden Dingen auf einer Liste abzuhaken. Herrlich! Um mir diese Freude regelmäßig bereiten zu können, erstelle ich mehr Listen, als ich verschriftlichen mag. Vielleicht eventuell gibt es sogar eine darüber, was ich mir bei meinem nächsten Besuch bei meinen Eltern zu essen wünsche…


Zum Glück ist es mir bisher gut gelungen, in engem Kontakt mit Familie und Freunden in der alten Heimat zu bleiben. Dadurch sind die Heimfahrt-Wochenenden manchmal ein kleiner Menschen-Marathon, aber das nehme ich gerne dafür in Kauf, in die geborgene Vertrautheit eines jahrelangen Einanderkennens abzutauchen. Hier am Internat war es von erstem Moment ein „ankommen und drin sein“, es gab gar keine Zeit zum Fremdeln und auch für Heimweh ist kein Raum. Vielmehr habe ich nun zwei Orte, die ich „Zuhause“ nenne. Wie so viele Jugendliche habe ich in der Pubertät Internatslektüre verschlungen und nun lebe ich doch tatsächlich selber in einem. Verrückte Welt.
Was ich später machen werde, weiß ich noch nicht genau. Wobei ich mir aber sicher bin, dass es etwas Kreatives sein muss, um mich auch wirklich dauerhaft herauszufordern und zu erfüllen. Angesichts meines Notenschnittes käme auch ein „klassisches Karriere Studium“ in Frage, doch ist es mir so viel wichtiger, glücklich zu sein. Da ich mit Musik aufgewachsen bin und sie mich schon mein ganzes Leben lang begleitet, darf sie als ein wichtiger Bestandteil meines Lebens gerne auch beruflich eine Rolle spielen. Das steht auf einer meiner Wunschlisten, was daraus wird, wird letztendlich das Leben zeigen.

im August 2022

Annemieke Mock

 
Ich habe meine Kindheit in China (da war ich noch sehr jung) und zum Großteil in Südafrika verbracht, somit liegen mir das Reisen und Leben in nicht deutschen Kulturen im Blut. Da unsere Eltern uns vier Kinder sehr darin bestärken, jede sich uns bietende Chance wahrzunehmen und uns Herausforderungen zu stellen, haben sie mich mit 13 Jahren unterstützt, als ich mich für entschieden hatte, für ein Auslandsschuljahr nach Kanada zu gehen. Nach meiner Rückkehr wollte ich nicht wieder zurück in gewohnte Bahnen und bewarb mich für ein Leistungsstipendium für das Internat Solling. So blicke ich nun auf meine Zeit am Internat Solling und stelle fest, dass ich hier länger mit meinem Freund am selben Ort gelebt habe, als mit meinen Eltern in der Zeit meiner Jugend und Kindheit, an die ich mich aktiv erinnern kann.
 
Dies liegt auch daran, dass meine Schwester Greta leider im Alter von einem Jahr erkrankt ist und eine lange Chemotherapie durchstehen musste. Deswegen war meine Mutter insgesamt fast eineinhalb Jahre mit ihr in Deutschland – in dieser Zeit wurde auch mein kleinster Bruder geboren. Zu dieser Zeit lebten wir in Südafrika und mein Vater war beruflich gebunden. Er blieb zusammen mit mir und meinem jüngeren Bruder in Südafrika. Trotz dieser emotional so schwierigen Zeit habe ich eine enge Bindung zu Südafrika. Tatsächlich träume ich davon, dort später zu leben und meine eigene Familie zu gründen. Ich liebe die Herzenswärme der Afrikaner und die Grenzenlosigkeit dieses Landes, auch wenn diese sowohl positiv als auch negativ sein kann.
 
Meine kleine Schwester Greta ist mein Vorbild. Sie zeigt mir immer wieder aufs Neue, dass Träume und Willen tatsächlich Grenzen überwinden können. Sie gibt nicht nur nie auf, sondern ist voller Überzeugung, dass sie später als Onkologin anderen Patient:innen auf deren Weg helfen wird, den sie selber beschreiten musste. Wenn ein Mensch dies vollbringt, so ist das unsere Greta – die immer und bei allem sagt: „Wir schaffen das!“.
 
Auch wenn mein Abiturzeugnis mir durchaus ein Medizinstudium ermöglichen würde, so hält mich meine Abneigung gegen Blut und Spritzen nachhaltig davon ab. Vielmehr träume ich davon, den Master in International Development an der Sciences Po (Paris School of International Affairs) zu machen. Mir ist Bildung, insbesondere politische Bildung, sehr wichtig. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen das heutige Weltgeschehen nur dann erfassen können, wenn sie sich auch mit der Vergangenheit beschäftigt haben. Darum würde ich sehr gerne daran mitarbeiten, vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich zum Beispiel über Ausstellungen zu informieren. Nur wer um die Vergangenheit weiß, kann positiv auf die Zukunft Einfluss nehmen und hat auch für sich persönlich das Rüstzeug, Chancen zu erkennen und wahrzunehmen. Natürlich weiß ich, dass im Leben nicht alles nach Plan verläuft, träume aber davon, mich in diesem Bereich einbringen zu können. 
 
Auch wenn ich es durchaus sehr genießen kann, einfach mal nichts zu machen und einen Tag zu vertrödeln, so möchte ich doch stets die Aussicht darauf haben, wieder etwas zu unternehmen. Stillstand behagt mir eben so wenig wie eine zu starre Planung – es würde mich in den Wahnsinn treiben, wenn ich jetzt schon wüsste, was ich das gesamte nächste Jahr mache. Da ich sehr gut darin bin, neue Möglichkeiten und Wege zu entdecken, die vielleicht auf den ersten Blick versteckt sind, gehe ich meiner Zukunft recht gelassen entgegen. Sollte mir doch einmal etwas Sorgen bereiten, so laufe ich mir einfach den Kopf frei. In meiner Familie sind alle Läufer, natürlich mit einer Laufuhr am Arm; nur ich laufe, ohne die Zeit zu nehmen. Mir geht es einfach nur darum, in Bewegung zu sein.

im Juli 2022